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Vf. Staatsarzneikunde.
den. — In der Gegend des Hinterhauptes, wo die allgemeinen
Kopfbedeckungen etwas mehr angeschwollen waren, zeigte sich
zwischen ihnen und der äussern Fläche des Hinterhauptbeines
etwas extravasirtes und in Fäulniss übergegangenes Blut. Die
Blutleiter der harten Hirnhaut und die Gefässe der weichen Hirn-
haut enthielten wenig Blut. Die ganze Gehirnmasse war schon
flüssig geworden. — Gutachten: 1) Das Kind war noch nicht
reif und ausgetragen, jedoch über 30 Wochen alt. Dafür spricht
die Länge des Kindes, die Durchmesser des Kopfes, das dünne
und kurze‘ Haupthaar, der Umfang der Fontanellen, die Be-
schaffenheit der Ohren und Nase, die Nägel der Finger und Ze-
hen, und vielleicht. auch das Gewicht des Kindes. 2) Das Kind
scheint zu Anfange ‘der Geburt noch gelebt zu haben. Dafür
spricht die Anschwellung der allgemeinen Kopfbedeckungen und
das kleine Extravasat. Das Kind lag ohne Zweifel regelmässig
und wurde zuerst mit dem Hinterhaupte geboren. So wurde beim
Durchgange durch das kleine Becken der Kopf gedrückt, und es
entstand jene Geschwulst und das Kixtravasat, was bekanntlich
nur beim Leben geschehen. kann. Dies gilt wenigstens von der
Geschwulst; allein das Extravasat ist nicht positiv beweisend, da,
wie Henke gelehrt, auch nach dem Tode wahre Blutergiessun-
gen in's Zellgewebe (durch Gefässtrennung mittelst der Fäulniss)
entstehen können. 3) Dagegen ist nicht wahrscheinlich, dass
das Kind nach der Geburt noch gelebt hat, da es nicht wahr-
scheinlich ist, dass es geathmet hat Denn alle angeführten Er-
scheinungen, welche einen Luftgehalt der Lungen anzeigen und
also auf Statt gehabtes Athmen hinzudeuten scheinen, lassen sich
aus der ziemlich weit vorgeschrittenen Fäulniss herleiten, welche
zur Luftentwickelung im Gewcbe der Organe Veranlassung zu
geben pflegt. Was die Beweiskraft des Schwimmens der Lun-
gen vorzüglich aufhebt, ist der Umstand, dass das Herz, mit
dem. geöffneten Herzbeutel und der Thymusdrüse verbunden, auf
dem Wasser schwamm, obgleich das geöffnete und von seinen
Luftbläschen befreite Herz allein (wie auch Leber und Milz) im
Wasser untersank. Zwar fanden sich an den Lungen keine durch
Fäulniss bewirkten Veränderungen; allein so wie sich in dem be-
nachbarten Ilerzen eine solche Menge von Luft entwickelt hatte,
dass dasselbe vor Eröffnung der an ihm befindlichen Luftbläs-
chen auf dem Wasser schwamm; eben so wohl kann sich auch
in dem Gewebe der Lungen. Luft entwickelt haben. Kndlich aber
dürfen die Zeichen nicht übersehen werden, welche für nicht
Statt gehabtes Athmen sprechen, z. B, die Wölbung des Zwerch-
felles, die von den Lungen nicht ausgefüllten Pleurasäcke, der
völlig frei liegende und von den Lungen nicht bedeckte Herz-
bentel, die dunkelbraune Farbe der Lungen und dus wenige
schäumende Blut, welches sich aus ihren Schnittflächen drücken
liess. [Horn’s Archiv, 1838, Juli, August.) . (V—t)
—a.
Verlag von Leopold Voss in Leipzig,