304 1. Pathologie, Therapie und medieinische Klinik.
gewiesen werden: eine bedeutende Störung hatte man danach
nicht wahrgenommen. Der geschickte Hausarzt bot alles auf,
die Krankheit zu bekämpfen, doch steigerten sich die Zufälle
täglich. Die Kranke konnte sich nicht mehr vom Bette erhe-
ben, das geringste Geräusch schreckte sie auf, und nur mit vie-
ler Mühe war sie vom Lager auf Augenblicke emporzurichten,
da die leiseste Berührung. Schmerz machte, wobei brennende;
bohrende Schmerzen in der Regio epigastrica oft tagelang wü-
theten, obgleich der Unterleib weder hart. noch empfindlich war
und nur bei tiefem Eingreifen in die Oberbauchgegend Schmerz
sich fand. Stuhl stockte fast ganz; nur alle 10—12 Tage gin-
gen unter Schmerz einige harte Excrementenkügelchen ab, die
beim Durchgehen durch’s Intestinum rectum . unausstehliche
Schmerzen hervorruften. Die Katamenien waren schon lange nicht
mehr eingetreten. Gegen Abend zeigte sich bis Mitternacht an-
dauerndes und mit starken, sehr entkräftenden Morgenschweis-
sen endendes Fieber. Die Nächte waren «schlaflos, der Puls
meist klein, sehr beschleunigt, die Haut kalt, weiss, aller Tur-
gor verschwunden, der Körper zehrte ab, die Kräfte sanken im-
mer mehr, allgemein erhöhte Sensibilität bemächtigte sich: des
ganzen Körpers, und Z7ubes nervosa schien nicht mehr fern. Die
beste zu Rathe gezogene ärztliche Hülfe blieb fruchtlos und die
anhaltende Verstopfung wich keinem Mittel, so viele auch dage-
gen angewendet wurden, Die Schwäche wurde immer grösser, und
manchen Tag konnte die Kranke, deren Sprache nur leises, kaum
hörbares Lallen war, keinen Laut hervorbringen. Unter diesen
Umständen hoffte man nur noch vom thierischen Magnetismus
einige Hülfe. Eine fast 4monatliche magnetische Behandlung
mittelst Manipulation minderte auch wirklich. die Leiden in et-
was, konnte jedoch nicht die Krankheit ganz bekämpfen und das
fliehende Leben erhalten.‘ Die Hoffnung verliess indess die Dul-
derin nicht, sondern erhielt sie bis an ihr am 19. Juli 1826
ganz sanft erfolgendes Ende aufrecht. Faet + Jahre hatten die
Leiden der Unglücklichen gedauert und sie an’s Lager gefesselt,
Die Section ergab Folgendes: Die obere fünfte Rippe linker Seits
war, wahrscheinlich in Folge des früher: erlittenen Falles aus
dem Wagen, vom’ Sternum abgebrochen und fast 1 Zoll von die-
sem entfernt und mit einem nenen Kapselbande versehen, in dem
sich das Rippenende frei bewegte; die Lungen waren bleich und
zusammengefallen, der Lobus superior sinister mit. der Pleura
verwachsen und die übrigen Organe normal. Nach Oeffnung der
Unterleibshöhle erblickte man nur den Dickdarm. Das Colon
war. überaus vergrössert und zeigte eine höchst merkwürdige
Abnormität: es hatte nämlich 3 Curvaturen. Ausser der ersten
Curvatur, nämlich der Uebergangsstelle des Colon ascendens in’s
Colon transversum, senkte es sich von hier weiter in die Be-
ckenhöhle bis zum Uterus und machte dort die 2. Krümmung,
sodann stieg es meist aufwärts und lief nun, nachdem es die