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VI. Staatsarzneikunde.
zend und feucht, liess sich aber nicht abstreifen. Der übrige Körper
war ebenfalls so ungeheuer aufgetrieben, dass alle, noch völlig durch-
nässte Kleidungsstücke vom Leibe geschnitten werden mussten. E8
musste sehr auffallen, dass bei dem hohen Grade der fortgeschritte-
nen Auflösung am ganzen Körper der Verwesungsgeruch kaum be-
merkbar war. — Der Körper war 5 Fuss lang, schien in dem Alter
zwischen 20 bis 30 Jahren zu seyn, fühlte sich allenthalben teigig
an, hatte überall weiche, schmierig feuchte, glatte Haut, die bloss an
der innern Fläche der Finger, in den hohlen Händen und an den
Fusssohlen und Zehen in kreideweissen, festen, dicken und .har-
ten Runzeln zusammengeschrumpft war. Spuren von Verletzungen
fanden sich nirgends. — Die eigenthümliche Beschaffenheit der
Haut an den Händen und Füssen war Beweis, dass dieser, völ-
lig unbekannte Mensch lebend ins Wasser gekommen war, da
dies Element auf die todte Haut anders wirkt, Wahrscheinlich
war das Subject ein Matrose (wofür noch die Bekleidung sprach),
auf hoher See. über Bord gekommen und lange unter dem Was-
ser geblieben, Der Mangel an Geruch bei dem hohen Grade
von Verwesung wird durch das Seewasser erklärt, welches den
Leichnam, als er an den Strand geworfen war, immer noch um-
spülte und ihn dadurch der, den Verwesungsgeruch begünsti-
genden, Luft entzog. — Die Section unterblieb. [ Wüldberg’s
Magazin für d, gerichtl. Arzneiwissenschaft, Bd, 2, Heft 2]
(V—t
260. Bemerkungen über die gericht ichen
Untersuchungen gemüthskranker Zustände; von C.L.
Kıose, Dr. und Prof. zu Breslau, Der Verf. führt folgende
Schwierigkeiten und Uebelstände auf: 1) Die von dem Gerichte
zugezogenen Sachverständigen erhalten oft erst in dem Termine,
der sie mit den übrigen Theilnehmern versammelt, die erste Kunde
von dem fraglichen Irren. 2) Die Termine werden oft an sehr
unpassenden Orten und in sehr unpassenden Umgebungen abge-
halten. 3) Der Wirkungskreis des Deputirten bei einem solchen
Termine ist von dem Gesetze zu wenig genau bestimmt, wodurch
manche Inconvenienz herbeigeführt wird. 4) Die Sachverstän-
digen müssen ihr Urtheil zufolge des, während des Termines,
vorhandenen Zustandes des Imploraten abgehen, wodurch das
Urtheil oft ganz falsch ausfallen muss, indem sich ja der Implo-
rat sehr leicht, gerade während des Termines, in einem unge-
störten Zustande befinden kann. 5) Die psychologische Termi-
nologie des Gesetzbuches begründet so manchen Missverstand
zwischen Arzt und Rechtsgelehrten, Der Arzt sollte sich daher
in der von der wissenschaftlichen Psychiatrie angenommenen Ter-
minologie über das fragliche . Seelenleiden aussprechen dürfen,
oder die nähern Bezeichnungen von den unfreien Zuständen sell-
ten ganz vermieden werden. [Rust’s Magazin, Bd. 39, Heft 3.)
(H—r.).
Verlag von Leopold Voas in Leipzig.