Full text: (6. Band = 1833, No 17-No 24)

sein Puls langsam, seine blauen Augen lebhaft, sein sonst ra- 
scher Gang jetzt Jangsamer, und beim Steigen spürt er Brustbe- 
klemmung; er beklagt sich über das unaufhörliche Moralisiren 
und die Eifersucht seiner 13 Jahre ältern Frau, die ihrem er- 
sten Manne 8, und ihm 2 Kinder geboren. Er hält sich für 
melancholisch, und die Aussagen seiner Frau und anderer Per- 
sonen über ihn scheinen auf einen nicht selten wiederkehren- 
den Raptus melancholicus zu deuten; er soll sich zu Hause nicht 
selten wie ein Verrückter benehmen, bei der kleinsten Ver- 
anlassung in den wüthendsten Zorn gerathen, und dann man- 
cherlei gewaltthätige Handlungen verüben, z. B. Gegenstände 
zerschlagen u. 8, w., doch will er sich derselben Tags darauf 
nicht mehr erinnern können, — offenbar ein aus Affecten oder 
Leidenschaften und: wahrer Geisteszerrüttung zusammengesetzter 
krankhafter psychischer Zustand (Iracundia morbosa, KExcan- 
descentia furibunda PrLaTNERI; une sorte d’emportement ma- 
niaque sans delire, nach PıneL); ein Mittelzustand zwischen wah- 
rer Manie und blossem Zorne, von dem Zorne gesunder Men- 
schen sich unterscheidend durch die Leichtigkeit, mit der der 
Zorn ohne alle Veranlassung in diese heftigen Anfälle von Wild- 
heit und Wuth übergeht, von der Manie aber durch die Kürze 
der Anfälle und den Gebrauch der unteren Seelenkräfte nach 
denselben — ein Zustand der Unfreiheit, in welchem körperli- 
che Krankheitsreize die normale Hirnthätigkeit stören und das 
Vermögen, sich nach dem Vernunftgesetze zu bestimmen, we- 
nigstens von Zeit zu Zeit, unterbrechen. — ‚Der Geschlechts- 
trieb ist bei O. sehr rege, er übt den Beischlaf fast jede. Wo- 
che mit seiner 64jährigen Ehefrau aus, obwohl ohne Feuer und 
Kraft, theils Folgen halber Abneigung, theils der Trunksucht; 
er leidet an heftigen, stinkenden Morgenschweissen bei denen 
er sehr abmagert; je anhaltender und heftiger sie sind, desto 
seltener äussert sich bei ihm der Begattungstrieb und so umge- 
kehrt. — Seine starken . Molimina haemorrhoidalia , wenn sie 
auch. zu einer periodischen Störung seiner Hirnthätigkeit etwas 
beitragen, stehen doch in körperlicher Hinsicht den Wirkungen 
der Trunksucht weit nach, die namentlich nachstehende wichtige 
nachtheilige Folgen herbeigeführt hat: 1) seit mehreren Jahren 
das tägliche, den meisten Branntweintrinkern eigenthümliche Wür- 
gen und Erbrechen (vomitus heluonum e crapula) mit Beengung 
in der Herzgrube und Angst; 2) heftiges Gliederzittern, beson- 
ders in den obern Extremitäten, das erst nach dem Genusse 
von Branntwein sich mindert und verschwindet; 3) eine bei oh- 
nehin heftigem, jähzornigem, cholerischem Temperamente wi- 
dernatürlich erhöhte Reizbarkeit des Gehirns, daher denn ge- 
ringe psychische und physische Reize, besonders der Anblick 
Seiner Gattin und Genuss von Branntwein, leicht UVeberspannung, 
die in Furor transitorius mit allen seinen möglichen schädlichen 
Folgen übergehen kann, bei ihm hervorbringen. — Wenn ©. 
VI. Staatsarzneikunde. 
379
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.