212 1. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
sendfältige Uebertragung von einem Individuum auf das andere
durch den Durchgang so Vieler und durch beständige Fortpflan“
zung auf fremden Boden ist sie in ihrer ursprünglichen Natı"
so wesentlich modificirt, wenn nicht schon ganz entartet wordelh
dass sich, spräche auch nicht Erfahrung allzu laut dafür, scho
a priori ihre geschwächte Eigenschaft, gegen Menschenblatter!
zu schützen, erklären, ja behaupten liesse, dass sie immer mehr
und endlich ganz diese Eigenschaft verlieren müsse, je mehr sie
durch fortgesetzte Uebertragungen ihrer eigenthümlichen Natur
entrückt wird. Rust’s Gründe für diese Meinung sind kurz fol
gende: 1) Form, Gestalt und Verlauf der heutige
Schutzpocke bieten manche Verschiedenheiten vo?
der frühern Impf- oder Kuhpocke dar. R. war eine!
der ersten, der sich vor 32 Jahren mit der Kuhpockenimpfung
in Deutschland beschäftigte, und er glaubt bis 1810 das Seinig®
zur Beförderung und Verbreitung der Kuhpocken beigetragen zZ
haben. Seitdem aber hatte er sich wenig mit, der Impfung %e-
pchäftigt, und seit etwa 20 Jahren kaum eine Impfpocke mehr
gesehen, viel weniger in ihrem Verlaufe beobachtet. Um so mehr
musste ihm die Verschiedenheit der Formen auffallen, welche
die heutige Schutzpocke im Vergleich mit dem Bilde der ächte®
darbietet, das ihm noch ungetrübt und lebhaft vorschwebte, #8
er vor einenr Jahre, diesem Gegenstande wieder besondere Auf“
merksamkeit zuwendend, die erste Impfpustel zu sehen bekam
Nicht minder war der Verlauf ein verschiedener, minder gere“
gelter und den Gesammtorganismus minder ergreifender, ein ®
jeder Hinsicht milderer, Weitere Beobachtung und Vergleichung
lehrte, dass dies bei Einigen mehr, bei Anderen minder der Fall
war, dass dies nicht sowohl in der Individualität des Individuum®
als im Impfstoffe liege, dass aber bei Keinen die Impfung die
frappanten Erscheinungen hervorrief, wie in den ersten Jahren
nach Einführung der Kuhpockenimpfung. Auch war die Narbe“
bildung eine verschiedene, von der Normalform stets abweichende
Man vergleiche, 'um sich hiervon zu überzeugen, die zwischer
1800 und 1803 erschienenen Kuhpockenschriften und Abbildun“
gen der damaligen Schutzpocke in ihren verschiedenen Zeiträu-
men mit der heutigen Impfpocke, und man wird die auffallend®
Verschiedenheit sehr bald wahrnehmen. Man wird finden, das®
das am 3. Tage nach der Impfung sich zeigende rothe und €I”
habene Knötchen, als unmittelbare Folge des eingesenkten Impf-
stoffes, meist ganz fehlt; dass die Pustel am. 5. Tage noch bei
weitem nicht ausgebildet ist, und am %., wo sie vollendet sey®
soll, kaum die Grösse und Füllung hat, die sie früher. am %
schon besass , so dass es oft schwer hält, den erforderlichen Impf-
stoff zur weitern Vaccination in erforderlicher Menge zu entneh-
men. Man wird ferner finden, dass die peripherische Röthe,
die durch alle Stadien die Impfpocke vom 3. Tage an ul
mittelbar umgiebt und, bis sich der Schorf ausbildet. andauern