Full text: (6. Band = 1833, No 17-No 24)

I. Anatomie und Physiologie. . 
Stelle unterhalb der Clitoris wohl den faltenartigen Wulst und 
das. Grübchen, die zur Harnröhrenmündung führen, fand, aber 
durchaus nicht mit dem Katheter eindringen konnte. Da das 
Mädchen vor ihrer Krankheit stets den Urin hatte gut Jassen 
können, auch selbst in der Krankheit nie über Urinbeschwerden 
geklagt und den Harn bis vor wenigen Tagen ganz ungehindert 
gelassen hatte, so musste also ursprünglich ’ein Orificium ure- 
Chrae zugegen seyn, auch war dem Gange der Krankheit nach 
nicht zu fürchten, dass während derselben eine Atresie entstan- 
den wäre, noch dass blosse Verstopfung, oder krampfhafte Stri- 
etur der Harnröhrenmündung gänzlichen Mangel des, Canals vor- 
spiegele. Offenbar war diese Retentio urinae paralytischer Art, 
denn wenn auch am häufigsten der Zyphus paralyticus Inconti- 
nentia urinae zur Folge hat, so fehlt es doch auch nicht nach 
VAN SwieTEn, Peter Frank u. A..an Beispielen von gänzlicher 
Urinverhaltung beint Ausgange dieser Krankheit, Die Kranke 
selbst empfand wahrscheinlich die Beschwerden der übermässig 
ausgedehnten Harnblase gar nicht, hatte keine Angst und Un- 
ruhe und griff nicht nach dem Unterleibe und den Genitalien, 
sondern lag in völligem paralytischem Sopor mit stertoröser Re- 
gpiration , hippokratischem Gesichte, Zuckungen der Gliedmaas- 
gen und Flechsenspringen. Obwohl sich O. unter diesen Um- 
ständen von Entleerung der Blase für die Genesung nichts ver- 
sprach, so stand er von fernern Versuchen dazu nicht ab, da 
er theils begierig war, die Mündung der Harnröhre zu entde- 
cken, theils die Eltern Heil oder Unheil der Kranken nur von 
diesem Symptome ableiteten. Er nahm daher Augen und Sonde 
zur Hülfe und untersuchte bei Lichte die normale Stelle der 
Harnröhrenmündung ganz genau, sah aber hier durchaus keine 
Spur einer frühern Oeffnung, sondern nur eine blinde etwa 4 Zoll 
eingehende Vertiefung innerhalb des Grübchens. Vergebens un- 
tersuchte O. dann den übrigen Raum des sogenannten Vestibu- 
Jum und entfaltete sorgfältig die innern Schamlippen, wo er end- 
lich und zwar in der Mitte des untern Randes in der‘linken in- 
nern Schamlippe ein Grübchen, dag einen Canal zu verbergen 
schien, entdeckte. Sogleich brachte er hier den Katheter ‘an, 
der nun auch aufwärts ohne jedes Hinderniss bis zum Blasen- 
halse und durch denselben leicht in die Blase einging, worauf 
in einem Strome fast 6 Maass Urin ausflossen , der nicht heiss, 
noch saturirt, sondern mehr strohgelb war und ziemlich ammo- 
niakalisch roch. Auf die Krankheit selbst hatte die Urinentlee- 
rung keinen Einfluss, denn, obgleich noch flüchtig erregende in- 
nerliche und äusserliche Mittel benutzt worden, schlief doch 
schon Tags darauf die Kranke ruhig eih. Dass diese abnorme 
Lage der Harnröhrenmündung die völlige Dysurie nicht bedingte, 
sondern dass diese nur Folge des paralytischen Zustandes war, 
unterliegt wohl keinem Zweifel, Zur nähern anatomischen Un-
	        
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