I. Pathologie, Therapie und medieinische Klinik, 337
Orten angegeben. Was die Uebertragung des Scharlachs
anlangt, so bemerkte der Verf. mit grösster Gewissheit, dass
sie häufig zur Zeit der höchsten Entwickelung des Ausschlages
erfolgte. Ja man könnte wohl glauben, dass diese Zeit vielleicht
allein einen Ansteckungsstoff zu erzeugen vermöge, da nach ihr
die Krankheit sich rückzubilden beginnt, als deren Ende wohl
meist die Abschuppung anzuschen ist. Der Scharlach entwickelte
sich aber auch oft ohne nachzuweisende Ansteckung, ja sogar
wo diese höchst unwahrscheinlich war. Die Entstehung der
Blattern beruhte unbezweifelt oft auf Ansteckung, war aber
eben so sicher oft selbstständig. Die Verbreitung der Epidemie
ging im Ganzen‘sehr langsam vor sich. Dies könnte einerseits
dafür sprechen, dass sie nur durch unmittelbare Ansteckung her-
vorgerufen worden wäre, wenn dagegen nicht sichere Beweise
sich aufstellen liessen; von der andern Seite zeigt es, wie un-
erlässlich nöthig zum Gedeihen von Epidemieen durch kosmische
oder tellurische Verhältnisse bedingte Prädisposition ist. Jahre-
lang waren die bösartigsten Blattern in der Nähe von Leipzig
oder in Städten, mit denen sich grosser Verkehr findet, und doch
erschienen sie nicht in Leipzig. Von Leipzig aus aber gingen
sie erst später wieder auf benachbarte Orte über. Der Schar-
lach schien sich in Leipzig selbst entwickelt zu haben, doch ge-
dieh auch er nur langsam zur Epidemie. Im Vorbeigehen sey
erwähnt, dass die langsame Verbreitung der Cholera oft für
Beweis ihrer absoluten Contagiosität gehalten wurde, der pri-
märe Entstehung bei uns ausschlösse. Wir sehen hier bei Blat-
tern und Scharlach dasselbe, ohne dass jetzt Viele die ledigli-
che Fortpflanzung derselben durch Ansteckung von einer Person
auf die andere verfechten. Die Vaccine schien im Allgemei-
nen, wie schon Crarvs (Summar., Bd. V., Nr. 63) dargethan,
ein sehr gutes Schutzmittel abzugeben, denn wenn auch mehrere
Vaccinirte und mit sogenannten guten Narben Versehene von
Variola, und theilweise von sehr heftiger, befallen wurden, so
kam dies doch im Ganzen selten vor. Unter andern betraf dies
einen 12jährigen Knaben, den vor 8 Jahren der Verf, selbst
geimpft hatte und bei dem die Vaccine ganz regelmässig ver-
laufen war, Die gewöhnliche Form bei Geimpften war die des
Varioloids. Unter 12 Jahren behandelte R. keinen Varioloid-
kranken, wohl aber von diesem Alter bis zum 25. Jahre, s®o
dass allerdings Entfernung von der Impfzeit Antheil an wieder-
eintretender Empfänglichkeit für Pockenstoff zu haben scheint.
Vebrigens kamen auch bei Nichtgeimpften Blatterformen vor, die
dem Varioloid mehrfach sehr ähnlich waren, besonders darin,
dass sich an den einzelnen Theilen die Pusteln sehr ungleich
entwickelten und ihre Perioden weniger sich erhielten. Zu Va-
ricellen waren aber diese Formen nicht zu rechnen, da hierzu
die Füllung der Pusteln, ihre Dauer, so wie die der Krankheit
and die: Heftigkeit derselben zu bedeutend war. Der Einfluss
Summarium d. Mediein. 1833. V. 2a