V. Psychiatrie.
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Annäherung fing er. heftig zu sprechen au und stiess Drohungen
sus, beruhigte sich aber wieder, als der Verf. sich der Thür
näherte. Aetiologische Momente liessen sich auch bei genauer
Bekanntschaft mit den Verhältnissen des Kranken nicht ermitteln,
nur erfuhr man, dass er vor einigen Tagen einen unbedeutenden
Aerger gehabt habe, dazwischen aber wieder munter gewesen
sey., Da man wegen, enormer Stärke des Kranken, den ‚jede
Annäherung empörte und wüthend machte, weder ihn näher’ un-
tersuchen, noch Mittel anwenden konnte, so setzte man ein Glas
Wasser, in dem sich 6 Gr. Tart. emet. gelöst fanden , in seine
Nähe. Glücklicherweise trank er bald das Glas aus, worauf
bald mehrmaliges Erbrechen und nach Mitternacht ein bis zum
Morgen auhaltender ‚ruhiger Schlaf erfolgte, aus dem er völlig
bei sich, doch ohne eine Spur vom Geschehenen zu haben, er-
wachte, Seitdem ist Pat., bis auf 2 asthmatische Anfälle, ganz
wohl geblieben. — V. Eine robuste, 22jährige, bisher gesunde
Frau, die vor 3 Jahren glücklich geboren hatte, bekam, nach
normalem Verlaufe ihrer 2. Schwangerschaft, beim Durchschnei-
den des Kindes, olıne bekannte Ursache, heftige Convulsionen
mit Bewusstlosigkeit. ‚Als dieser Zustand noch nach der übri-
gens schnellen Geburt des gesunden Kindes anhielt, wurde L.
gerufen, der, etwa 5 Stunden nach Entstehen des Uebels, die
Wöchnerin bewusstlos, mit abgewandtem, rothem und heissem
Gesichte im Bette fand. Sie murmelte bisweilen unverständliche
Worte, und von Zeit zu Zeit traten heftige Convulsionen ein,
wobei sie nur mit Mühe im Bette erhalten wurde. Die Pupille
war verengt, der Puls langsam, unterdrückt, ‚die Brüste nicht
gefüllt, der Unterleib weich, nirgends aufgetrieben, der Uterus
contrahirt, die Scheide trocken, heiss. L. liess sogleich einen
Aderlass machen, Blutegel setzen, kalte Umschläge und ein Ve-
sicator anwenden und alle 2 Stunden gr.j Calom. wechselnd mit
einer Sol. Kali sulph. reichen, ‘Als Abends noch kein Nachlass
sich eingestellt hatte, wurde nochmals zur Ader gelassen, wor-
auf gegen Mitternacht sich alles besserte. Das Bewusstseyn kehrte
wieder, die Brüste füllten sich, die Lochien ‚flossen und die
Convulsionen blieben weg. Der Anblick des Kindes überraschte
die Wöchnerin sehr. Sie wusste von ihrer Niederkunft durch-
aus nichts, obgleich sie erst gegen das Ende der Geburt ihr
Bewusstseyn verloren hatte. Da sie verheirathet ist und im be-
sten Rufe steht, so ist an Betrug, der auch hier keinen Vor-
theil bringen könnte, nicht zu denken. Uebrigens stillt sie ihr
Kind, ein Mädchen, selbst und liebt das Töchterchen fast mehr
als ihren unter Schmerzen geborenen Sohn. Die Mutterliebe
steigert sich also nicht immer, wie jüngst behauptet wurde, durch
die während der Geburt ausgestandenen Leiden. [Hufeland’s
Journ. d. prakt. Heilkunde, 1832, Dec.) (K— ee.)