Full text: (4. Band = 1833, No 1-No 8)

V. Peychologie. 
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Werther findet Verf. kein Irreseya, [Horn’s Archiv, 1832, Juli, 
August.) (V—t.) 
40. Zur Seelenheilkunde; von Dr. IpeLerR. Die psy- 
chische Heilmethode bei Geisteskranken kann ihren Zweck auf 
mittel- oder unmittelbare Weise erreichen. Im erstern Falle stellt 
sie den verkehrten Aeusserungen der Geistesthätigkeit mannig- 
fache Hindernisse entgegen und versperrt so die Abwege, auf welche 
sie sich zu verlieren strebt. Sobald aber der Kranke wieder soweit 
diseiplinirt worden ist, dass man seine Aufmerksamkeit für nützliche 
Beschäftigungen in Anspruch nehmen kann, hat der Arzt an die 
Stelle der Wahnvorstellungen des Kranken richtige Begriffe zu 
setzen und ihn besonders zur Selbsterkenntniss zu führen, inwie- 
fern seiner Gemüthsstörung Leidenschaften zu Grunde liegen, de- 
ren völlige Beherrschung nothwendige Bediugung seiner gründlichen 
Heilung ist. -— Die Aneignung von Begriffen geschieht nun entweder 
vermittelst des Gedächtnisses, oder des Verstandes. Das erstere 
muss allemal dem letztern vorangehen, da es eine weit geringere 
Kntwickelung der geistigen Fähigkeiten voraussetzt, deren auch das 
Kind fähig ist, während der Verstaudesgebrauch die selbstständige 
Thätigkeit des reifern Alters fordert. So verhält es sich auch bei 
Geisteskranken, die weit früher zu einem deutlichen Krinnerungs- 
vermögen, als zum unbefangenen Nachdenken gelangen. Auf diese 
richtigen Sätze gestützt, liess I. auf der Irrenabtheilung der Charite 
jedem Geisteskranken Gedächtnissübungen aufgeben, wenn 
sein Bewusstseyn zu einer gewissen Aufmerksamkeit und Fähigkeit 
zu Beschäftigungen zurückgebracht worden war, und so wurde es 
möglich, dem Gemüthe richtige und nützliche Begriffe einzuprägen, 
welche nicht nur die Wahnvorstellungen allmählich verdrängten, 
sondern auch die Aufmerksamkeit des Kranken übten. Anfangs war 
dies freilich sehr schwer, und man hatte oft ernstere Maassregeln 
nöthig, Hess sich aber durch keine Entschuldigungen irre machen, 
da in willkührlicher Richtung und Leitung der Aufmerksamkeit der 
Anfang aller Selbstbeherrschung liegt. Dass nie Unbilliges und Un- 
mögliches gefordert wurde, versteht sich. von selbst, doch wurden 
oft auch Stumpfsinnige zu Gedächtnissübungen bewogen und da- 
durch zu freiem Verstandesgebrauche zurückgeführt, bei denen man 
anfangs kaum etwas ausrichten zu können glaubte. Dass mit dieser 
Maassregel nicht blosse Bethätigung des Gedächtnisses erreicht 
werden sollte, sondern dass man damit die höheren Geistes- und 
Gemüthskräfte wecken und neu beleben wollte, liegt wohl deutlich 
zu Tage. Da aber die Heilung solcher Kranken davon abhängt, 
dass man sie mit bessern Grundsätzen erfüllt, und dass diese die 
Öberherrschaft in der Seele behaupten und die frühern fehlerhaf- 
ten Neigungen allmählich vertilgen, so muss: die Wahl des zu Er- 
lernenden mit Umsicht geleitet werden. 1. benutzte besonders Ge- 
dichte sittlichen Inhaltes, deren rhythmische Form und bildliche 
Einkleidung dem Gedächtnisse sehr zu Hülfe kommen. Unter ihnen 
nehmen GELLERT’S Oden nach seinem Dafürhalten den ersten Platz 
ein. [Med. Zeitung v. Vereine f. Heilk.in Preussen, Nr.1.] (K—e.)
	        
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