V. Psychologie.
nen wissen; allein man kann ihn doch mittelst Nachweisung dessen,
was er, was Andere in diesem Zeitraume vollbracht , überzeugen,
dass er die Jahre desselben seinem Alter zurechnen müsse. — Zei-
chen von Angst beim Feueranlegen , Nichtentfliehen nach demsel-
ben, Versuche zum Selbstmorde u. s. w. können auch Wirkungen
eines bösen Gewissens seyn. Sobald aber festgestellt ist, der That
8ey ein Zurückgebliebenseyn der geistigen Entwickelung des Thä-
ters, Stumpfheit desselben gegen Belehrung , mangelhafte Erkennt-
niss von dem, was das Gesetz gebietet und verbietet, vorausgegan-
gen, oder sind auch nur Beweise da, dass diese Unmündigkeit nach
der That dagewesen: 80 ergiebt sich das Urtheil von selbst. — Sin-
nestäuschung, welche derjenige, welcher sie hat, selbst für Täu-
schung hält, ist nicht Irreseyn. Nicht so aber, wo solche objectiose
Wahrnehmung für eine objective gehalten wird, denn feste Ueber-
zeugung bildet hier den Irren. — Der Zustand zwischen Schlaf und
Wachen, er möge sich mehr nach dem Blödsinne, oder mehr nach
dem Wahnsinne hinneigen, ist einem irren gieichzustellen. — Der
Somnambulismus gehört zum Irreseyn, wenn man bloss einen ab-
normen T’raumzustand , ein Sprechen im Schlafe, ein Nachtwandeln
unter ihm versteht. Nicht so der, welcher mit Recht ein Wachen
im Schlafe oder selbst ein Hellsehen genannt wird. Hier findet we-
nigstens keine grössere Neigung zu irren Statt, als im normalen Wa-
chen; ja, Irrthümer, welche im gewöhnlichen Wachen begangen
worden, weichen im Hellsehen nicht selten der richtigen Erkennt-
niss, Verf. greift nun einige Beispiele aus dem Leben: Die Elisa-
beth Peter, welche mit den folgenden Personen in der Kreuzi-
gungsgeschichte zu Wildenpusch eine Rolle spielte, war offenbar
irre, denn sie glaubte, es könne ein Mensch mit seinem Leben für
die Rettung der Seele eines andern Bürge seyn; sie bat ihre
Freunde, sie todt zu schlagen, und gab sich der Wiilfahrung dieser
Bitte auch geduldig preis. Irre war auch die M argarethe Pe-
ter, welche während ihrer Aufgeregtheit, in welcher sie Andere
misshandelte, aus dem Kopfe und der Brust ihres Bruders Hörner
hervorkommerr sah und dann in dem Gedanken , sie müsse für Chri-
stus den Satan bekämpfen, sich langsam zu Tode martern liess.
Dahingegen ist die Ursula Kündig, obschon sie bei der Kren-
zigung der Margarethe Peter vor Allen thätig war, nicht als
eine Irre zu betrachten, weil sie nur von der Margarethe Pe-
ter angetrieben an’s Werk ging und bei diesem, offenbar nicht nach
eigener Ueberzeugung handelnd, noch fragen konnte: Muss ich
denn alles allein thun? — Die Seherin von Prevorst war magne-
tisch- somnambul, indess auch mit Umwandlung ihres Wachens in
einem Zustand des Hellsehens. Dieser Zustand ist zwar dem Wachen
Fremd, vielleicht auch gefährlich; aber nicht, wie behauptet worden
ist, Wahnsinn, und es findet sich in den bekannt gewordenen Akten
kein Grund, anzunehmen, die Fran sey unfähig gewesen, die Sinnes-
und Urtheilsirrthümer einzusehen: sie war also nicht irre. — €a-
ligula war wahnsinnig. Von Claudius bleibt es ungewiss, ob er
blödeinnig oder dumm war. Hamlet war Hypochonder, und an