Full text: (4. Band = 1833, No 1-No 8)

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V. Psychologie. 
Art oder Abart des Irreseyns Abwesenheit einer Anomalie des 
Vorsteltens nachzuweisen. Entweder die Vorstellungen: kommen 
zu träge und mit zu weniger Energie zu Stande, wie im Blöd- 
sinne, oder‘ ihre Verknüpfung ist. abnorm, wie im Wahnsime 
und in der Tobsucht: eins von beiden findet jedes Mal Statt. 
Des Wahnsinnigen. verkehrte. Begehrungen: haben sämmtlich in 
irren Vorstellungen ihren ‚Ursprung. Bei den irren Gefühlen, 
woran wenigstens ein Theil der mit Wahnsinn Behafteten in 
Folge körperlicher Verstimmung leidet, fehlen niemals solche 
Vorstellungen, die jene und diese zu verknüpfen geeignet sind. 
Die Tobsüchtigen geben, nachdem ihre /wcida intervalla‘ oder 
ihre Genesung eingetreten, die irrigen Vorstellungen, durch wel- 
che. sie zum Toben angeregt wurden, genau und nicht selten bis 
in’s kleinste Detail an. Die Angst, welche sie grösstentheils 
sehr heftig in den Tobanfällen erleiden, tritt zu ihren Vorstel- 
kungen in das gleiche Verhältniss, wie ihre Begehrungen und 
Verabscheuungen. In dem Blödsinnigen, der sich noch zu äus- 
sern vermag, ist die Abhängigkeit seiner verkehrten Begehrun- 
gen von seinen irren Vorstellungen: unverkennbar,. und es ist 
selbst bei dem Blödeinnigen, welcher nicht sprechen kann, kein 
Grund vorhanden, seinem Vorstellen nicht das gleiche Verhält- 
kiss zu den übrigen Seelenregungen zuzugestehen. Da nun der 
psychisch Kranke nicht der einzige ist, dessen Vorstellen irrt, 
so: fragt sich, worin der Unterschied seines Irrens von dem der 
Nichtirren bestehe. Der Blödsinnige, der Tobsüchtige und der 
Wahnsinnige vermögen nicht, ihren Irrthum einzusehen. Ist nun 
diese Unfähigkeit des Irren, seinen Irrthum zu erkennen, eine 
Unfähigkeit. zum. Wollen dieses Erkennens» oder eine des KEr- 
kennens selbst? Alle psychischen Erscheinungen lassen sich bei 
dem Blödsinnigen auf abnorme Schwäche und Trägheit seines Vor- 
stellens zurückführen, Will er den bei ihm enstandenen Irr- 
thum durch. Vergleichung der in diesen Irrthum: verwickelten 
Vorstellungen berichtigen, so. lässt‘ er jedes Mal dieses: oder je- 
nes. zw. der: Vergleichung Erforderliche. entweder ganz aus, oder 
bringt es unvollständig bei. Dem Wahnsinnigen und Tobsüchti- 
gen ist es unmöglich, die ihn täuschenden Vorstellungen, wel- 
che. mit seinem übrigen Gedankensystem so innig verflochten sind, 
dass ihm kein Widerspruch zwischen jenen und diesem. bemerk- 
bar, bis dahin, wo diese Verflechtung nicht mehr vom. Körper 
zus: unterhalten wird, zu tilgen. Hiermit wäre die vorhin auf- 
zeworfene: Frage beantwortet, und so giebt die Beachtung: der 
Fähigkeit oder Unfähigkeit zur Irrthumserkenntniss eine feste 
Gränze zwischen Irreseyn und Nichtirreseyn. Statt‘ uns: also: mit 
den Distinciionen von Vernunft und Unvernunft, Freiheit und 
Gebundenheit u. s. w. zu befassen, haben wir es mit unzwei- 
deutigen Ausdrücken, wie Irrthum, Krkenntnissfähig- und- -unfä- 
higkeit zu thun; Bei Kindern und Träumenden ‚gehört Irrthums- 
erkenntnissunfähigkeit zum Normal des Lebens und kann hier nicht in
	        
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