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V. Gynäkologie und Pädiatrik,
troffen warden, Ist in polizeilicher Beziehung . gegen das Kind-
bettfieber in grossen Gebärhäusern so wenig geschehen, und
dies gilt nicht bloss von Deutschland, sondern eben sowohl von
Frankreich; in der Maternite zu Paris stirbt im allergünstigsten
Verhältnisse die 22. Wöchnerin; CRUVEILLHIER’S Mittheilungen
über das Kindbettfieber sind in dieser Beziehung nicht bloss
für die Vorsteher grosser Gebärhäuser, sondern vorzüglich auch
für die Medicinal- und Polizeibehörden höchst wichtig; denn sie
liefern die Beweise von der Schädlichkeit des . Beisammenseyns
vieler Schwangern und Wöchnerinnen; aus seiner. Tabelle "er-
giebt sich, dass die Krankheit sowohl intensiv als extensiv mit
der Anzahl der Wöchnerinnen zu- und abnahm; auch in Deutsch-
land war, den Beobachtungen zu Folge, das Verhältniss der Sterb-
lichkeit weit ungünstiger in den grösseren Anstalten als in den
kleineren. CRUVEILHIER behauptet demnach, dass nur die Ue-
berfüllung der Gebärhäuser mit Wöchnerinnen die Schuld der
Entstehung und der Bösartigkeit des Kindbettfiebers trage, und
dass atmosphärische Einflüsse auf seine Entstehung gar keine
Wirkung äusserten; in‘der Maternite bricht. es alle Jahre und
zwar in einer Jahreszeit aus, wo die meisten Wöchnerinnen bei-
sammen sind, oder wenigstens bald darnach; obwohl »’°O. diese
Thatsachen anerkennt, stimmt er doch CRUvEILHIER’S Meinung
nicht ganz bei; er meint vielmehr, es müssten noch andere Mo-
mente ausser der Ueberfüllung der Gebärhäuser mit Wöchnerin-
nen coNncurriren; denn in anderen Gebärhäusern bricht die. Krank-
heit bei einer gleichen Anzahl von Wöchnerinnen doch mehrere
Jahre gar nicht aus; plötzlich aber entsteht sie, obwohl sich die
Verhältnisse der Anstalt in mehreren Jahren nicht geändert ha-
ben, bei einer gleichen und selbst geringeren Anzahl von anwe-
senden Wöchnerinnen als früher. Ebenso beachtenswerth ist.
es, dass die Krankheit in verschiedenen Anstalten gleichzei-
tig entsteht und gleichzeitig aufhört, wie 1818 und 1819.
Seit 1819 hat sie in der Würzburger Anstalt, ungeachtet die
örtlichen Verhältnisse sich gar nicht geändert haben, nicht wie-
der epidemisch geherrscht. Manche Vorsteher von Anstalten
schrieben es ihrer inneren Einrichtung und der diätetischen Be-
handlung der Gebärenden und Wöchnerinnen zu, dass sie eine
lange Reihe von Jahren von der Krankheit verschont geblicben
waren, als dieselbe plötzlich mit der grössten Heftigkeit aus-
brach, ohne dass doch die Anzahl der Wöchnerinnen grösser
gewesen wäre als früher, — NÄGELE in seiner: Schilderung des
Kindbettficbers, welches vom Juni 1811 bis zum April 1812 in
Heidelberg geherrscht hat (Heidelberg, 1812), hat mit Scharf-
sinne und Wahrheit den Einfluss atmosphärischer Einwirkungen
auf die Entstehung der Krankheit bewiesen; dasselbe hat v’O.
(TEexrTor’s Neuer Chiron, Bd. 1, Hit. 1, S. 251, Sulzbach 1821;
und Abhandlungen und Beiträge geburtshülflichen Inhalts, Würz-
burg 1822, S. 207) dargethan und zugleich die Behauptung auf-