MU. Pathologie, Therapte und medicfnische Klinik. 425
vorzüglich, dass die neue Ernte durch ein im Juli sehr anhal-
tend auftretendes Regenwetter verzögert, und dadurch der arme
Landmann genöthbigt wurde, allen Vorrath, selbst den schlechte-
sten, der nicht selten, wie W. sah, aus einem Gemenge von
2 Theilen Mutterkorn und 1 Theile ganz verkümmertem Roggen,
Wicken und mannigfaltigen Gesämen bestand, zu verbrauchen;
Bei diesem letzten Sturme hatte W. Gelegenheit noch folgende
Bemerkungen zu machen: 1) Das Waschen des Gesichts und der
Glieder mit Weinessig, auch das Riechen an solchen, der inner-
liche Gebrauch des Camphors und des Ol. anim. aefh., letzteres
zu 30 Tropfen täglich einige Mal, thun zwar hier und da, nach
erfolgter Reinigung der ersten Wege, gute Dienste, verlassen
aber auch oft, und gehören daher keineswegs unter die zuver-
lässigen Heilmittel. 2) Die Schweine fressen das Mutterkorn
und bekommen die Kriebelkrankheit davon, die Hunde aber
scheinen dem- Genusse instinctmässig auszuweichen; allein wenn
sie dergleichen Nahrung, durch Hunger gezwungen, Vielleicht
annehmen müssen, werden sie zur Tollwuih geneigt. So er-
krankte ein Schwein schon am andern Tage nach dem Genusse
und starb den 8. Tag unter Zufällen des Starrkrampfes in den
Vorder- und Hinterfüssen. Das Tollwerden der Hunde, wie auch
mitunter der Katzen, kam seit Menschengedenken in dasiger Ge-
gend nicht so häufig vor, als während der Dauer der Kriebel-
krankheit. 3) Enthält das Brot sehr viel Mutterkornstoff, und
wird es dabei frischgebacken genossen, was die Wirkung gewal-
tig erhöht, so ist ein einmaliger Genuss zu einem Anfalle der
Krankheit hinreichend. 4) Das ganze Nervensystem, zuweilen
das Gehirn selbst, bleibt in manchen Fällen nach überstandener
Kriebelkrankheit lange Zeit, wo nicht gar lebenslang, was die
Zukunft erst lehren muss, so empfindlich, dass Gemüthsbewe-
gungen jeder Art leicht zu krampfhaften Zufällen , die mitunter dem
Kriebelkrampfe selbst ähnlich, ja sogar zu Geistesstörungen An-
lass geben, besonders behält der Nerv. vagus, ganz vorzüglich
aber der Plexus gastric. anterior und posterior hier und da eine
solche Verstimmung, dass jeder starke, durch Ueberladung des
Magens mit schwer verdaulichen Speisen herbeigezogene Druck
(das Genossene sey auch noch so frei von Mutterkornstoffe) sehr
übel aufgenommen und zuweilen empfindlich bestraft wird, Das
frischgebackene Brot behauptet darin den ersten Platz, wenn es
auch vom reinsten Roggenmehle gebacken ist., Nach dessen Ge-
nusse sahe W. bei manchem Individuum ein halbes Jahr und
länger nach vollkommen glücklich überstandener Kriebelkrank-
heit und bei anscheinend strotzender Gesundheit Auftreibung
des Leibes mit grosser Beängstigung eintreten, worauf Erbre-
chen, Durchfall, krampfhaftes Ziehen in allen Gliedern, ja selbst
ein dem Kriebelkrampfe sehr ähnlicher Zustand in den obern
und untern Gliedmaassen folgte, so, dass Verwechselung der Fol-
gen mit der Krankheit selbst leicht Statt finden und der Gedanke