[I. Pathologie, Therapie und mediecinische Klinik. 19
sich die Vererbung nicht nachweisen. Die antisyphilitische Be-
handlung half langsam, doch nach Wunsch. Im 3., ein 19jähri-
ges, sehr wenig entwickeltes Mädchen betreffenden Falle hatte
die Syphilis schon grosse Fortschritte gemacht. Nasenknochen
und Gaumen waren schon grossentheils zerstört. Das Geständ-
niss des Vaters liess über die Natur des Uebels keinen Zweifel,
— V. Die Erscheinungen, wodurch sich diese Syphilis kund
giebt, haben manches Charakteristische. Sie beginnen fast im-
mer in der Rachenhöhle, ‚in der sich stechende, brennende
Schmerzen finden, die besonders Nachts heftiger werden. An
einer Stelle der Rachenhöhle sieht man eine dunkele, feurige
Röthe und Anschwellung, worauf sich bald Eiterung und Ge-
schwüre zeigen. Diese greifen schnell um sich und zerstören
mehr oder weniger die ergriffenen Theile. Gleichzeitig oder
später geht das Leiden durch die Choanen aufwärts und ergreift
die Nasenknochen, wie es ihm denn überhaupt eigen ist, die
Knochen in der Rachenhöhle schnell zu zerstören, weshalb man
fast immer bei nur eigermaassen fortgeschrittener Affection Oeff-
nungen in diesen Knochen wahrnimmt, wodurch Mund- und
Nasenhöhle in Verbindung stehen. Schr selten soll das Uebel
zugleich die Röhrenknochen ergreifen, doch hat B. dies ein
Mal gesehen, es war aber nur Schmerz und Anschwellung
der Tibia vorhanden, In der Haut will man die hereditäre
Syphilis nie beobachtet haben. Kinder mit ererbter Syphi-
lis zeigen bis zur Pubertät keine Spuren der Lues. Kurz
vor oder mit Eintritt derselben bricht aber das schlummernde
Uebel aus und tritt als eingewurzelte Affection auf, wie über-
haupt erbliche Krankheiten, besonders wenn sie lange schliefen,
sehr hartnäckig sind. Als merkwürdig muss noch erwähnt wer-
den, dass. diese hereditäre Form die Entwickelung des Körpers
sehr zurückhält. Besonders bemerkt man dies an den Genita-
lien. Knaben haben nur unbedeutende Erectionen und keine
Samenabsonderung, Mädchen hingegen menstruiren gar nicht, oder
erst spät und unvollkommen, und selbst dann kommt nicht selten
statt Blut ein tripperähnlicher Schleim zum Vorschein, wodurch
es möglich seyn soll, dass die Krankheit radical, ohne Zuthun
der Kunst, geheilt wird, doch währe diese Schleimabsonderung
dann das ganze Leben fort. — Gründe zu entwickeln, um die
zu widerlegen, welche die hereditäre Syphilis läugnen, ist wohl
überflüssig. So lange sie nicht die erbliche Fortpflanzung ge-
wisser Krankheiten durch Generationen hindurch durch "That-
sachen widerlegen, so lange kann man getrost eine hereditäre
Syphilis annehmen. [Hecker’s liter. Annalen der gesammten
Heilkunde, 1832, October.] . (K— e.)
8. Die Kriebelkrankheit (Convulsio cerealis),
welche Dr. WAGNER; Kreis-Physikus in Schlieben, schon im vori-
gen Jahre in den Niederungen an der schwarzen Elster beob-
achtete, trat im Frühjabre 1832 abermals daselbst auf, als die
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