230 IV. Chirurgie und Augenheilkunde.
welche bsim ersten Anblicke ein reifer Abscess der Parotis zu
seyn schien. Wegen Härte in der Umgebung der Geschwulst
wurden nach 2 Tagen Kataplasmen angewendet, und erst am
dritten Tage machte C. einen kleinen Einschnitt, wobei jedoch
statt KEiters eine klare, wässerige Flüssigkeit zum Vorschein kam,
nach deren Entleerung die Geschwulst ganz zusammen fiel, und
im Umkreise der Wunde verhärtete Stellen nun noch deutlicher
zu fühlen waren. Die Wunde wurde. mit trockner Charpie be-
deckt, mit den Breiumschlägen fortgefahren und ein Laxans ge-
reicht. Da in den folgenden Tagen die Geschwulst sich immer
mit einer wasserhellen Flüssigkeit so füllte, dass sie täglich, ja
sogar mehrere Male, davon entleert werden musste, wenn dies
nicht von selbst geschah, so war es nicht zu bezweifeln, dass
das Uebel eine Speichelfistel der Parotis sey, und man versuchte
anfänglich durch Druck die Heilung derselben, doch vergeblich,
zu bewirken, sey es nun, dass dieser nicht kräftig genug ange-
wandt wurde oder angewendet werden konnte, oder sey es, dass
er hier überhaupt weniger, als ein anderes Mittel, angezeigt war,
Man entschloss sich daher zu reizenden Einspritzungen ,. um da-
durch den nothwendigen Entzündungsgrad zu wechselseitiger
Verschliessung und Verwachsung des Fistelkanals und seiner
nächsten Umgebung hervorzurufen, und wählte dazu den Wein-
geist, der nicht nur täglich eingespritzt wurde, sondern mit dem
man auch Charpie träukte, die man in die Wunde legte. Zugleich
wurde wegen eines venerischen Geschwürs im Halse Mercur ge
geben. Schon am dritten Tage nach Anwendung dieser Mittel
floss weniger Speichel aus der fistulösen Wunde, und sie hatte
von aussen ein besseres Aussehen. Am 6. Tage floss nur noch
wenig aus, aber in der um die Wunde herum gerötheten Haut
waren einige von selbst entstandene kleine Geschwüre zu sehen,
aus denen guter Eiter hervordrang. Man fuhr mit dem Wein-
geiste, wie angegeben fort, worauf am 15. Tage kein Speichel
mehr aus der Wunde kam, und mit Einschluss des venerischen
Geschwürs die Geschwüre bis auf eins verheilt waren, auf das
man nun mit Weingeist getränkte Charpie legte.“ Unter dieser
Behandlung war 8 Tage später auch das letzte Geschwür voll-
ends ganz verheilt, und die Verzögerung der gänzlichen Hei-
lung desselben schien nur an Leblosigkeit der Wundränder zu
liegen, weshalb sie einige Male mit Lap. infern, betupft wurden,
worauf bald völlige Vernarbung eintrat. — So wurde die Kranke
bald von einem lästigen Uebel völlig befreit! Sie starb übrigens 3 Jahre
später an Auszehrung in Folge einer cancrösen Degeneration
der linken Brustdrüse, zu deren Ausrottung. sie nicht zu brin-
gen war. — Da schon Lovis die reizenden Einspritzungen bei
Ohrspeicheldrüsenfisteln empfohlen hat und namentlich mit Ein-
spritzungen von Alkohol bei diesen Uebeln mehrmals sehr glück-
lich gewesen ist, so enthält eigentlich der oben mitgetheilte Fall
in therapeutischer Hinsicht nichts Neues, sondern bestätigt nur