14 IV. Chirnrgie und Augenheilkunde.
Das rechte Auge war nach oben und etwas nach vorwärts ge-
drängt. Die Nase erschien verstrichen, in die Geschwulst hinein-
gezogen, nach links geschoben. Die Nasenlöcher, statt nach unten
sich zn öffnen, sahen gerade nach vorwärts. Die nach unten ge-
drückte Gaumendecke bildete einen gewölbten ‚Vorsprung im
Munde. Oben, nahe an der Augenhöhle, befand sich ein durch
die Anwendung des Aetzkalis erzeugtes Geschwür. Drückte man
auf den höchsten Punkt der Geschwulst, so konnte man die
Wand derselben niederdrücken, die sich jedoch sogleich wieder un-
ter einem erepitirenden Geräusche, oder mit dem Tone, als wenn
etwas gequetscht würde, erhob. Die Wand war in einer ziem-
lichen Ausdehnung nur häutig. D. stellte die Diagnose dahin,
dass sich eine knöcherne Cystis in dem Oberkiefer wahrschein-
lich auf einem fibrösen Körper entwickelt habe. Was sich. in
dem Innern dieser Cystis befinden möchte, wagte er nicht zu
bestimmen. Da die weichen Theile im Umfange der Geschwulst
gesund waren, entschloss er sich zur Operation. Er fasste dem
Plan, einen Querschnitt längs: des Zahnrandes, und einen Län-
genschnitt von der Oberlippe aus nach der Basis der Augen-
höhle zu führen. Am 2. Jul. wurde zur Operation geschritten
und mit einem Bistouri zuerst der Längenschnitt vorgenommen.
Aus der Wunde ergoss sich ein Strom schwarzes Blut. Als der
Zeigefinger eingebracht wurde, stand die Blutung vom selbst,
gleichsam als ob deren Quelle entleert worden wäre. Der Finger
entdeckte, anstatt des vermutheten fibrösen Körpers, nur eine
weiche, schwammige, dem Gefühle nach dem Glaskörper ähnli-
che Masse, die sich, ohne zu schmerzen und zu bluten, durch-
bohren liess. In ihrem Umkreise fühlte der Finger, so weit
er gelangen konnte, eine knöcherne, glatte, einer getriebenen Me-
tallplatte ähnliche Platte. Die Oeffnung wurde nach: vorn und
hinten zu erweitert, und D. bemühte sich, so viel als mög-
lich von dem krankhaften Gewebe abzubrechen und zu zer-
reiben. Dann wurde eine mit Colophonium bestreute Charpie-
kugel zur Verhütung der Blutung in die Höhle eingebracht und
die Operation abgebrochen. Schauer, Frösteln, Blässe befielett
die Kranke; der Puls war kaum zu fühlen; doch äussere Er-
wärmung und warmer Wein beseitigten diesen Zustand. Am
folgenden Morgen war das Allgemeinbefinden: keidtich, aber die
am Abend vorher zum Theil zusammengefallene und entleerte
Geschwulst hatte ihren frühern Umfang und die frühere Span-
mung wieder erlangt. D. verordnete Kinspritzungen von mit
Honig verseiztem Gerstenwasser, in der Hoffnung, dass sich eine
faulige Schmelzung (fonte putride) der Geschwnst bemächtigen
würde. Es trat keine Blutung ein, aber aus dem Einschnitte
sickerte ein biutiges Serum, und weiche, faulige, ungeheuer
stinkende Massen kamen zum Vorscheine. Obgleich deren Ent-
leerung in Bezug auf die Geschwulst günstig zu nennen war, s6
musste man doch glauben, dass das Kind äusserst erschöpft wer-