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IV. Chirurgie und Augenheilkunde.
Win Mann wird mit vielen Contusionen in’s Hötel-Dieu gebracht
und verbunden, wobei man entdeckt, dass er ein kurzes Bein
hat. Man hält dies Uebel ohne Weiteres für eine Luxation des
Schenkels, beginnt die Extension, verstärkt, da das Bein sich
nicht verlängern will, die extendirende Kraft, bis denn endlich
die Haut an der Hüfte und der in Weiche in einer beträchlichen
Ausdehnung zerreisst. Der Kranke wird in’s Bett gebracht und
von einem Unterchirurgen verbunden, der, als er den Kranken
fragt, wie lange er schon die Luxation habe, zur Antwort er-
hält: „Ueber 20 Jahre.“ Duruyrtren, dem es zu Ohren gekom-
men ist, dass L. diesen für ihn nicht ehrenvollen Fall seinen Zu-
hörer erzählt hat, soll den Schimpf von sich ab- und auf den
verstorbenen PreLLETAN gewälzt haben. Also — grosse Geister
irren auch!) In den angehängten Bemerkungen sagt der Bericht-
erstatter, dass der Mann, von dem oben die Rede, mit sol-
cher Gewalt auf die Hüfte gefallen seyn müsse, dass nicht al-
lein der Schenkelhals zerbrochen und das Kapselband zerrissen,
sondern auch das untere Bruchende nach oben und vorn getrie-
ben worden sey. Vielleicht hätte, meint er, die Fractur gleich
anfangs erkannt werden können, wenn die Beschaffenheit der
Geschwulst in der Weiche genauer untersucht worden wäre,
Inzwischen habe dieser Fehler in der Diagnose nichts Wesentli-
ches geschadet, denn unter jeder Bedingung hätte man die
Reposition des Knochens durch Extension und Contre-Extension
versuchen müssen. Ueber die eingeschlagene Curmethode und
die Heilung ist nichts gesagt, der Bericht ist freilich schon am
18. Tage nach der Verletzung geschrieben, [Gazette medicale
de Paxis, Tom. II, Nr. 122] (H—1.)
112. Ein Fall von Osteosarcoma carcinomatodes
marxillae inferioris; von Dr. J. Rogxser in Bartenstein. Wenn
man annimmt, dass das Osteosarcoma carcinomatodes des Un-
terkiefers mehr local, ursprünglich auf das Knochengewebe be-
schränkt sey, weder die Nachbargebilde ergreife, noch auf die
Constitution wirke, und deshalb zur Exstirpation geeignet sey,
so liefert der Verf, ein Beispiel, aus dem hervorgeht, dass dieses
Leiden auch auf einer allgemeinen krankhaften Diathese, welche
sich in andern Organen durch Tuberkeln äussert, beruhen kön-
ne, So hatte sich bei einer 60jährigen Frau, von gesunder
Constitution seit 10 Jahren auf der linken Seite des Unterkie-
fers, woselbst mehrere Zähne abgefault waren, einc Geschwulst ent-
wickelt, welche nach 9 Jahren die Grösse von 2 starken Mannesfäu-
sten erreichte. Gegen Druck war sie zwar unempfindlich, doch verur-
sachte sie im Innern oft stechende Schmerzen und ein stetes Gefühl
von Brennen. Bei dem Anfange ihrer Entstehung bildete sich
ein putrides Geschwür auf ihr, das häufig stark blutete, sowie
auch mitunter aus den wohl zwölffach vergrösserten Alveolis der
ausgefaulten Zähne Blutungen erfolgten. Ausser einem seit Be-
ginn der Krankheit anhaltenden Speichelflusse schien die übrige