Full text: (4. Band = 1833, No 1-No 8)

10 II. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 
heilen kann, denn es ist bekannt, dass das schnelle Schliessen 
eines Fontanelles den Tod zur Folge hatte. Dies gilt aber be- 
kanntlich auch von manchen natürlichen Geschwüren und beson- 
ders von alten Beinschäden, Auf der andern Seite fehlt es nicht 
an hinreichend bekannten Beispielen, dass die schwersten und 
gefährlichsten Krankheiten oft auf einmal aufhörten und Alles 
gut ging, wenn an den Füssen oder einem andern Theile Ge- 
schwüre und Abscesse von freien Stücken oder zufällig entstan- 
den, was doch Beweis genug ist, dass offene Schaden wirklich 
im Stande sind, den Körper durch Entleerung schlechter, ver- 
dorbener Theile zu reinigen. Da nun auch durch Zufall ent- 
standene Geschwüre’ oft gleich gute Wirkungen hatten, so lag es 
wohl sehr nahe, dass man dergleichen später absichtlich künst- 
lich hervorrief , um wohlthätig in Krankheiten zu wirken, worin 
man sich denn auch nicht täuschte, In der Folge ist man 
noch weiter gegangen und hat die Fontanelile besonders zur Prä- 
servation vor gewissen Krankheiten angewendet. Als Prophyla- 
cticum gegen katharrhalische und rheumatische Krankheiten sind 
die Fontanelle von jeher in grossem Ansehen gewesen. Man 
hat sie ferner empfohlen, um den gefährlichen Folgen einer 
vielleicht zu frühen Wegnahme des Weichselzopfes vorzubeugen, 
um beim Tollen-Hundsbisse die lange in Kiterung erhaltenen 
Wunden sicher zugehen lassen zu dürfen, und um ein Verwah- 
rungsmittel gegen das Fleckfieber oder gegen den ansteckenden 
Typhus zu haben. Neuerlich aber hat man in ihnen ein Schutz- 
mittel gegen die Cholera gesehen. Die nächste Veranlassung 
hierzu gab wohl die gute Wirkung der Fontanelle in Krankheiten, 
bei denen es sich um Entfernung einer verdorbenen, schlechten 
Materie handelte, sowie der Erfahrungssatz, dass eiternde Scha- 
den oder aus andern Ursachen angewendete künstliche Geschwüre 
vor ansteckenden Krankheiten sicherten. Es wurden nämlich 
nach frühern Wahrnehmungen in Spitälern diejenigen nicht vom 
Petechialfieber befallen, die offene eiternde Wunden hatten, und 
in einer vor einigen Jahren in Ostfriesland herrschenden Wechsel- 
fieberepidemie blieben Personen, die ein Fontanell oder ein an- 
deres Exutorium trugen, oder an einer chronischen Hautkrank- 
heit litten, von der Krankheit frei oder hatten, wenn ihnen 
während des Fiebers eins gelegt wurde, nicht von den sonst so 
häufigen Rückfällen zu leiden. Was die Cholera anlangt, so will 
man besonders in Ungarn beobachtet haben, dass Leute, die 
ein Fontanell oder eine spanische Fliege am Arme trugen, nicht 
erkrankten. Dasselbe behauptete man später vom Habitus phthi- 
sicus und der Lungensucht, und ehen so wollte man eine schü- 
tzende Kraft äusserer Geschwüre und impetiginöser Affectionen 
beobachtet haben. Wenn nun auch die Lungensucht nicht absolut 
vor Cholera schützt, so kann ihr doch nach glaubwürdigen Nach- 
richten eine relative, bedingte Schutzkraft nicht abgesprochen 
werden. Um so weniger aber bedurfte es einer Entschuldigung,
	        
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