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Il. Materka medica und Toxikologie.
halbe Drachme und steigt allmählich bis zu einer ganzen, die
S Mal täglich genommen wird. Jüngere erhalten verhältniss-
mässig weniger. Werden die Anfälle seltener und gelinder, so
giebt man noch einige Zeit die gleiche Gabe fort, ja selbst
wenn das Uebel ganz geschwunden ist, muss noch ein halbes
Jahr täglich 4 Mal ein Quentchen genommen werden. — In
mehreren Fällen von eingewurzelter Epilepsie hat sich bereits
dies Mittel bewährt, und L. selbst hat die auffallende. Wirkung
desselben in 2 Fällen als consultirender Arzt beobachtet. Bei
einem durch Onanie geschwächten jungen Manne, der einige
Jahre hindurch häufig epileptische Anfälle gehabt hatte, wurde
das Uebel binnen einem Monate durch Indigo fast ganz ver-
scheucht. Nur ein geringer Anfall kam nach 9 Wochen zurück.
Den andern Fall lieferte ein blühendes, }7jähriges, seit mehre-
ren Monaten bei ungestörten Katamenien an Convulsionen leiden-
des Mädchen. Zuckungen, Verzerrungen, tonische und klonische
Krämpfe, Herumschlagen mit den Händen, Rück- und Vorwärts-
beugen des Rumpfes, Aufspringen und Stau:pfen mit den Füs-
sen und Herumwerfen des Leibes in verschiedener Richtung
wechselten in gewisser Folgereihe ab. Ein anhaltendes, dureh-
dringendes, wahrhaft schreckliches Schreien, das Lunge und
Luftwege zu zerreissen drohte, schreckte die Umstehenden. In
den kurzen Zwischenperioden war die Kranke bei Bewusstseyn
und liebkoste die Mutter, bald aber trat, und immer mit er-
höhter Heftigkeit, der Anfall wieder ein und liess Apoplexie
oder Berstung der Lungen fürchten. Der Typus dieser bald
der Epilepsie, bald dem Veitstanze ähnlichen Anfälle war so
bestimmt, dass die Umstehenden aus den Erscheinungen das
Ende der gewöhnlich ihre bestimmte Dauer habenden Anfälle
vorhersagen konnten. War der Anfall zu Ende, so schien die
Kranke gleichsam zu erwachen; sie klagte über nichts und war
nur eine kurze Zeit matt. Nachdem allerlei Mittel vergeblich
versucht worden waren und der Magen kaum noch Medicamente
vertrug, versuchte v, StTAaHLY den Indigo, der erst ungern ge-
nommen und minder gut vertragen wurde. Bald jedoch ge-
wöhnte sich der Magen an ihn, und die Anfälle wurden, als er
in steigender Gabe gereicht wurde, bald seltener und gelinder,
bis sie ganz ausblieben. Das Mittel wurde noch 9 Monate fort-
genommen, und nun geniesst seit 2 Jahren das Mädchen bei
blühendem Ansehen die beste Gesundheit. Ale Ursache dieser
Krankheit konnte nichts ermittelt werden, als die Entfernung
eines Lehrers, der mehrere Jahre im Hause sich befunden, doch
schien mehr das schmerzliche Gefühl der Trennung von einer
gewohnten Person das zarte Gemüth erschüttert zu haben, als
verborgene Liebe, was um so begreiflicher, da die Familie der
Kranken auf einem abgesonderten Landgute einsam lebt, —
Möchten doch praktische Aerzte Versuche mit diesem neuen