353 IM. Pathologie, Therapie und medicinische Kli,-{t
diesem Zeitraume, so trat eine fühlbare Kälte erst mehrere
Stunden nach dem Tode ein. Bei weiterer Ausbildung der Cho-
lera aber trat im Gesichte, im Munde und an den Extremitäten
eine bedeutende Kälte einz die erschlaffte Haut spannte sich
wieder, die blaue Farbe verminderte sich, das Kind schrie kläg-
lich, bekam Krämpfe u. s. w. In diesem Zeitraume, der oft
bis zum 4. Tage sich hinzog , starben die meisten. Bei einigen
trat Sopor ein, es entwickelten sich Aphthen oder statt deren
kleine Bläschen um die Lippen, ein rother Hof um die Nasen-
Aügel, eine auffallende Röthe der mit Schleime verklebten
Augenlidränder; das Erbrechen hörte auf, die Stuhlgänge wur-
den dicklich und dunkelgrün und kurz vor dem Tode, der den
3. oder 11. Tag eintrat, wurde ungefähr 1 Drachme dunkeles,
aufgelöstes Blut durch die Nase und Mundhöhle entleert. — Die
Cholera ing meistentheils in einen Mittelzustand über, der dann
Genesung oder Tod brachte, Wo sie unmittelbar in Genesung
überging, da geschah es durch Schweisse und Harnabgang. Jener
Mittelzustand charakterisirte sich entweder durch vorwaltenden
Sopor, oder durch active Congestionen. Vor dem Eintritte der
Wiedergenesung wurden in einzelnen Fällen galliges Erbrechen
nebst einem nessel-, rothlauf- oder frieselartigen Exantheme,
welches sich später desquamirte, und metastatische Abscesse am
Kniee bemerkt, Der Tod erfolgte auf der Höhe der Krankheit,
uachdernr sich ein lähmungsartiger Zustand des Ernährungscanales
eingestellt und Diarrhöe nebst Erbrechen aufgehört hattez oder
er trat als Folge des Mittelzustandes: ein. — Man unterschied
2 Grade: die Cholerine und die Cholera exquisita; jedoch be-
merkt der Berichterstatter, dass zwischen beiden keine feste
Gränzlinie war, und -der Unterschied bloss subjectiv bestand.
Die Cholerine kam häufig unter den Wohlhabenden vor, denen
beim ersten Uebelbefinden die nöthige Pflege und Hülfe zur
Hand war. Die Seuche nahm von Mitte Augusts bis Mitte Sep-
tembers nur langsam zu. Die ersten Erkrankungen lagen immer
einige Tage auseinander, rückten aber später immer näher, bis
endlich täglich mehrere und viele Menschen erkrankten, und die
Cholera im September und October ihren Culminationspunkt er-
reichte, Die damals herrschenden Krankheiten wichen grössten-
theils der Cholera, und diejenigen, welche blieben, z. B. ga-
strische, biliöse, nahmen einen Abdrnck von der Cholera an.
Von der Mitte Novembers bis Ende Decembers verlor die Cho-
lera an Intensität und ihren Charakter, der in die dieser Jahres-
zeit gewöhnlichen Krankheitsformen überging, und so sah man
häufig eine Febris gastrica, Febris rheumatica, Febris catar-
rhalis u, dgl. cum nota cholerica. — Die Wiener Cholera konnte
eben so wenig, wie jede andere Krankheit, durch eine speci-
fische; für alle Fälle gleichbleibende Heilmethode besiegt wer-
den; sondern es musste dem rationellen Arzte anheimgestellt
bleiben , für jeden einzelnen Fall das Passende zu wählen. Bil-