Full text: (Bd. 2 (Jahrg. 1832) = No 9-No 16)

IV. Chirurgie und Augenheilkunde. S63 
den günstigsten Ausgang gilt. Sie ist also Mittel der heilenden 
Naturkraft, den Körper von einem Stoffe zu befreien, der nicht 
ohne Gefahr in ihm verweilen kann, und in diesem Sinne stellt 
sich der Zweck der Abscessbildung uns in seiner wahren Bedeu- 
tung dar. Dieser Zweck darf aber bei. dem therapeutischen Ver- 
fahren um so weniger übersehen werden, als jenes kritische 
Bestreben der Natur unvollkommen bleiben kann, oder einen 
verkehrten Weg einschlägt , oder zu excessiv wird. — Was die 
Aetiologie der Eitergeschwülste anlangt, so müssen besonders 
in. näherer Beziehung zur eigentlichen Eiterbildung folgende Mo- 
mente gewürdigt werden: 1) Die Anlage zur Eiterung, die 
entweder angeboren oder erworben ist und auf einer in den 
Säften und festen Theilen protopathisch begründeten Eiterbildung, 
auch ohne relativ zu‘ hoch gesteigerten Entzündungsgrad, be- 
ruht. 2) Eine intensiv zu heftig wirkende Entzündung, 
die an und für sich, mag auch noch so antiphlogistisch gewirkt 
worden seyn, eine solche specifike Beschaffenheit hat, dass 
sie nur durch Suppuration erlöschen kann. 8) Eine Entzün- 
dung, die nicht Lebensfähigkeit genug besitzt, um 
durch eine passende Cur zertheilt zu werden, aber auch 
nicht Neigung hat, in Verhärtung überzugehen, zu 
welcher letzteren die der KEitererzeugung entgegenstrebenden 
Bedingnisse nöthig sind. 4) Der Genius epidemius und 
die örtlichen Lebensverhältnisse des Kranken, denen 
ein grosser pathogenetischer Antheil an dem häufigern oder selte- 
nern Vorkommen von Eiterung nicht abzusprechen ist.. 5) Die 
Beschaffenheit der verschiedenen entzündeten Organe, da ein 
Gewebe sich offenbar mehr, als das andere, zur Kiterung neigt, 
wenn: auch die pathologischen Einflüsse und die Entzündungs- 
foranen gleich zu seyn scheinen. — Die genaue Erkenntnisse 
vom Daseyn einer Eitergeschwulst nimmt nicht selten die ganze 
Unterscheidungsgabe des Arztes in Anspruch. Denn wenn auch 
der subeutane Abscess gemeiniglich leicht erkannt wird, so kom- 
men doch tiefere Eitergeschwülste vor, deren Diagnose manch- 
mal sehr schwierig, ja unmöglich ist, besonders wenn das ent- 
scheidenste Symptom des. Abscesses: die Fluctuation, nicht 
zu erforschen ist. Wo, um die Schwappung zu'entdecken, das 
gewöhnliche Verfahren nicht ausreicht, hilft zuweilen. die Per- 
eussion,: die wie beim Ascites verrichtet wird. Auch liesse sich 
in schwierigen Fällen vielleicht mit dieser Percussion der Ge- 
brauch des Stethoskops ‚nicht ohne Nutzen verbinden, wenn an- 
ders UVebung und ein sehr feines Gehör den untersuchenden 
Arzt. unterstützen. — Was die Classification der Kiter- 
geschwülste anlangt; so lässt sich eigentlich, so viel Mühe auch 
auf eine solche viele: chirurgische Schriftsteller verwendet haben, 
eine ausgedehntere ,. allgemein passende Kintheilung derselben 
kaum aufstellen, da diese: Geschwülste am allem Theilen des 
Körnere - vorkommen‘ und dem mannigfaltigsten *Complicationen
	        
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