II. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik. 23
Zu schneller. und sicherer Zerstörung des letztern gebührt vor
andern Mitteln bei weitem der Salzsäure der Vorzug, die,
wenn sie unmittelbar mit dem Milzbrandgifte in Berührung kommt,
dasselbe sicher und specifisch zerstört. Im zweiten der von H.,
erzählten Fälle, der nicht leicht ungünstiger und gefährlicher
seyn konnte, wirkte die Salzsäure fast Wunder, auch spricht
der vierte Fall ganz für dies Mittel, da es in ihm nur allein
angewendet wurde. Da sie einen starken Abfluss von gelb-
licher Lymphe aus den Wundflächen verursacht, so darf man wohl
annehmen, dass sie unmittelbar auf das Gift einwirkt, und es steht zu
vermuthen, dass sie es chemisch zerstört. Wenigstens sprachen
für letzteres einige Versuche, welche man mit blutigem Serum aus
der Bauchhöhle am Milzbrande gefallener Ochsen anstellte. Wenn
aber die Salzsäure ein Uebel, wie das bei dem zweiten Kranken
war, glücklich heilt, um wie viel mehr wird sie leichtere Fälle be-
seitigen können. Doch kann sie nur dann wirken, wenn sie
mit dem Gifte in unmittelbare Berührung kommt, weshalb man
stets eine Wundlläche bilden muss. Bei kleineren gangränösen
Pusteln wird in cieser Hinsicht die Entfernung der Oberhaut
hinreichen, bei einer sphacelösen Pustel muss aber der ganze
trockene Schorf entfernt werden, was am besten mit dem Mes-
ser geschieht. Bei kleineren Pusteln reicht es hin, das Messer
unmittelbar am Sphacelus im Gangränösen zu führen; ist aber
die Geschwulst sehr weit verbreitet und die Gelahr gross, 80
führt .man das Messer am besten ausserhalb des Blasenkranzes,
dass die Salzsäure auf eine grössere Wundfläche einwirken, sich
schneller verbreiten und das Gift früher vernichten könne. Ist
die Wundfläche gebildet, so wird die Salzsäure zuerst concen-
trirt , später mehr oder weniger stark mit Wasser verdünnt
übergeschlagen, und zwar am besten ınit Semmelkrume zu Brei
zemacht, wo dann der Verband nicht zu olt erneuert zu werden
braucht. Man fährt damit fort, bis das Gift vernichtet ist, was
man in 1—2 Tagen annehmen kann, und heilt dann die Wunde
nach allgemeinen ‚Heilanzeigen. Von den vielen übrigen gegen
Milzbrandblatiern empfohlenen Mitteln kennt IL durch Erfahrung
die Wirkung der Chlorine, des Möllensteines und des
Glüheisens. Krstere hat er als Ayua oxzymurialica innerlich
und äusserlich ohne besonderen Erfolg angewendet. . Sie ist ge-
gen das Milzbrandgift ganz unwirksam, oder passt höchstens
nur für gelinde Fülle. — Der Höllenstein vermehrt Anfangs
die Blutung sehr, sobald diese aber durch stärkere Anwendung
desselben steht, wird die Wunde trocken und bleibt es mehrere
Tage. Er scheint somit die mehr oder weniger gelähmten Ge-
fässe direct zu vermehrter Thätigkeit anzuspornen, wodurch die
Arterien erst stärker bluten, die Venen und Lymphgefässe aber
das Gilt mit um so grösserer Schnelligkeit dem Körper ununter-
brochen zuführen, und wirkt, wenn dies richtig ist, geradezu
nachtheilig. Sein Gebrauch ist daler nur darauf einzuschränken,