290 I. Pathologie, Therapie und medieinische Klinik.
bis auf die Nabelgegend herab erstreckte und an ihrem niedern
Theile Fluctuation zeigte. Die Behandlung, welche E. unter
diesen Umständen einschlug, bestand in der Anwendung von
Blutegeln, Breiumschlägen, Kalomel (zu 5 Gran anfänglich täg-
lich ein, dann zwei, zuletzt sogar drei Mal) und Opium, zu
L—2 Gran interponirt. Allein der Zustand besserte sich nicht;
es stellte sich von Zeit zu Zeit starker Schüttelfrost ein;
Schwäche und Abmagerung nahmen überhand; die Schmerzen stei-
gerten sich, und die Geschwulst wurde grösser. E. schlug vor,
dieselbe zu öffnen. Aus einem gemachten Einstich ergossen sich
4} Maass Eiter, welcher dünner als gewöhnlich, zähe wie Rahm
und Wasser, wahrhaft eiterfarbig und überaus ekelhaft war,
und einen starken Geruch nach Schwefelwasserstoff verbreitete.
Nach der Operation wurde der Kranke ruhiger und konnte ohne
Schmerzen darnieder liegen; er klagte über grosse Schwäche;
die Umgebung der punktirten Stelle war sehr empfindlich und
der Umkreis des Abscesses sehr entzündet, weshalb E. ihm
Milchnahrung verordnete, so dass er täglich 4 Pinten davon er-
hielt. Als einige Pinten Eiter abgeflossen waren, bemerkte E,.,
dass sich kleine, runde, durchsichtige Körperchen entleerten,
die er für Hydatiden erkannte. Die Wunde wurde mit Brei-
umschlägen bedeckt, und der Abscess offen erhalten; worauf
noch immer grosse, grünliche, klebrige Flocken abgingen, welche
E. für todte und zerrissene Hydatiden hielt, und von denen
einige 12 Zoll Länge hatten. Bald glichen sie einem dicken
Schlamm von grünlichgelber Farbe und zäher Consistenz,
bald einem gummigen Schleime. Die zunehmende Schwäche
machte den Genuss des Weines nöthig; die Empfindlichkeit
wurde vermehrt; grosser Schmerz und Unruhe traten ein, so
dass wiederholte volle Gaben Opium gereicht werden mussten,
und bald gab der Kranke seinen Geist auf. — MNach dem Tode
fand man die Leber stark mit den nahe liegenden Theilen ver-
wachsen; sie war beträchtlich vergrössert, besonders der linke
Leberlappen; ihre Oberfläche von dunkler Farbe; der rechte
Lappen fast gänzlich in einen grossen Abscess entartet, welcher
grosse, zahlreiche Hydatiden enthielt, und dessen eigenthümliche
Substanz einen weiten, dünnen Sack (cyst) bildetez der Theil
der Leber, welcher diesen letztern umhüllte, zeigte einen be-
deutenden Substanzverlust und war nicht dicker, als der Sack
selbst. [The lancet, Febr, 1832.] (Fr.)
238. Ueber die Entstehung der Acephalocysten;
von Dr. HeLD zu Franzburg. Kin 16jähriges, nicht menstruir-
tes Mädchen von zartem, doch gesundem Körperbaue fiel im
Sommer 1823 mit der vordern Fläche des rechten Oberschenkels
auf den scharfen Rand eines Wassereimers, worauf sogleich so
heftige Schmerzen entstanden, dass die Verletzte sich nicht
wieder aufrichten konnte. Bei Untersuchung des Schenkels fand
man die schmerzende Stelle etwas geschwollen. Die Schmerzen