288 1. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
nach dem Anfalle klagte sie bloss über Mattigkeit. Es war
keine Lähmung eingetreten, aber die Lebenskraft sank allmählich
so, dass am 9. März der Tod eintrat. Section. Der Körper
nicht sehr abgemagert; Augenlider ödematös; Finger nicht ge-
krümmt. An der innern Fläche der Dura mater auf jeder
Seite neben dem Sin. longit. super. ein kleines, einige Linien
langes, eine halbe Linie breites Knochenstück; das linke spitz,
dem Gehirn zugekehrt. Um diese Knochenstückchen herum und
in der Nähe der grossen Sinus überhaupt Lymphausschwitzungen.
Unter der Arachnoidea, zwischen den Gyris cerebri an mehreren
Stellen eine von Blut gefärbte Sulze. Die Arachnoidea verdickt,
opalisirend. Die Gyri schön entwickelt. Die Substanz des gros-
sen Gehirnes gesund; in den Ventrikeln nichts Abnormes; aber
in dem kleinen Gehirne, dicht unter dem Tentorium cerebelli,
eine erweichte Stelle von der Grösse eines Viergroschenstückes;
die Substanz derselben weissgrau, zerflossen, unkenntlich. Die
Erweichung war einige Linien tief und ging allmählich in die
gesunde Substanz über. Die sehr vergrösserte G/andula pitui-
taria wurde leider nicht genauer untersucht. In der Brust meh-
rere verknöcherte -Arterien. Das Pankreas so verhärtet, dass es
beim Zerschneiden knisterte. In der Gallenblase einige Gallen-
steine. Die Nieren sehr vergrössert, ihre Becken ausgedehnt,
geröthet, mit unzusammenhängenden, bröckeligen Massen und
einer Menge kleiner Steine angefüllt. Nachdem H. in der Epi-
krise die Ansichten RosTan’s über die Gehirnerweichung und
die von demselben aufgestellten Zeichen dieser Krankheit, die
unsern Lesern gewiss schon bekannt sind (Untersuchungen über
die Erweichung des Gehirns, übersetzt von FEcHnErR; Leipzig,
1824), erwähnt hat, sagt er, dass auch kein einziges der von
RostAn angegebenen Symptome als ein pathognomisches ange-
sehen werden könne, und dass jedes derselben auch bei der
Apoplexie vorkomme. In der 2. Periode der Krankheit ist nach
R. Paralyse der Gliedmaassen das constanteste Symptom, allein
dies fehlte in H.’s Falle und soll auch bei Erweichung des For-
nir, des Corp. callos. und des Sept, pellucid. fehlen. R. irrt
gewiss darin, dass er die alte Kintheilung der Apoplexie in eine
sanguinea und nervosa verwirft und bei jeder Apoplexie nur an
Bluterguss im Gehirne denkt. Die Symptome der Gehirnerwei-
chung und der Apopl. nervosa sind sich so ausserordentlich
ähnlich, dass man sie beide für eine und dieselbe Krankheit
halten kann, vorzüglich wenn man mehrere Grade der Apopl.
nervosa annehmen will. Die Erweichung der Gehirnmasse sieht
H. als nichts Wesentliches bei der Krankheit an, denn sie ent-
steht erst nach dem Tode als schnell eintretender Zersetzungs-
process des kranken Gehirns. Die Erfahrung ist sebr alt, dass man
in den Fällen, wo nach heftigen mechanischen or dynamischen
Einwirkungen auf das Gehirn oder das Nerven-ystem der Tod
erfolzte, das Gehirn von weicherer Beschaffenheit, als im nor-