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UL Gynäkologie und Pädiatrik,
Morgen zeigten sich neue Symptome, nämlich stossweise Be-
wegungen in den unteren Extremitäten, die elektrischen Schlä-
zen glichen, mit einem leichten Schauer des ganzen Körpers
verbunden waren, den Kranken aber aus seiner Betäubung nicht
erweckten; grosser Durst; völlige Entstellung der Physiognomie;
überaus jageunder, zitternder Puls; bedeutendes Fieber mit grosser
Hitze des Kopfes; sparsamer Harn; reichliche, sehr stinkende
Darmausleerungen. Die Umschläge werden fortgesetzt, dem
Kalomel Digitalis zugesetzt. Am 3. Tage derselbe Zustand; die
stossweisen Bewegungen waren auch auf die oberen KExtremitä-
ten übergegangen, in denen sie stärker und anhaltender, als in
den unteren, waren. Nachmittags erwachte der Kleine einige
Male und schien für Augenblicke freies Bewusstseyn zu haben.
Am 4. Morgen bedeutende Verschlimmerung. Unablässig dauer-
ten die stossweisen Bewegungen in den oberen Kxtremitäten,
die übrigens eine normale Beschaffenheit zeigten, fort. Am
Serotum und an der Steissgegend bilden sich braune, brand-
ähnliche Flecke von verschiedener Grösse. Der Kleine wim-
merte; schon seit einigen Tagen war Stimmlosigkeit eingetreten.
Am Rückgrate keine Veränderung. Das Einnehmen der Pulver
durch heftigen Husten verhindert. In diesem elenden Zustande
brachte der Kranke noch einige Zeit hin, bis er am 9. Tage
der Behandlung an allgemeiner Paralyse starb. Section wurde
nicht gestattet. Die braunen Flecken am Scrotum und der Steiss-
gegend waren am Cadaver verschwunden. Epikrise. Merkwürdig
waren in dem erzählten Falle die stossweisen, mit Schauder
verbundenen Bewegungen jin den Extremitäten, die braunen,
brandähnlichen Flecken am Scrotum und in der Steissgegend,
so wie die Stimmlosigkeit, Erscheinungen, die bei einem ge-
wöhnlichen Hydrocephalus acutus von Dr. nie beobachtet wor-
den sind. Wahrscheinlich verdankten sie ihren Ursprung einer
acuten Myelitis, die sich zum Hydrocephalns gesellt hatte, und
dem Uebergange derselben in allgemeine Lähmung. Eine be-
sondere Ursache der Krankheit Hess sich nicht auffinden; ein
prädisponirendes Moment gab wohl die schnelle Kntwickelung
des Kindes ab. TIEDEMANN, SERRES, GALL und SpuRzHEIM ha-
ben schon auf die merkwürdige Metamorphose aufmerksam ge-
macht, die das Gehirn in den letzten 3 Monaten des ersten
Lebensjahres erleidet, und HEyFELDER bemerkt sehr richtig,
dass durch diese Metamorphose bei sehr vollblütigen, robusten
Kindern mannigfaltige Affectionen entzündlicher und krampfiger
Art, die man gewöhnlich dem Zahngeschäfte zuschreibt, her-
vorgerufen werden. Hydrophobische Zufälle, die von Sacus als
wesentliche Symptome der acuten Myelitis aufgeführt werden,
konnte Dr. bei seinem Kranken durchaus nicht wahrnehmen.
| Medic. Conversativonsblatt, Nr. 10, 1832.] (H—1.)