32 V. Chirurgie und Augenheilkunde.
dig vereinigt. Die aus der ersten Narbe gegen die Kniekehle
hin sich verbreitenden Schmerzen traten nicht mehr ein, weder
von selbst, noch wenn man die Narbe drückte, wohl aber fan-
den sich Schmerzen, die aus der Vereinigung der neuen Wunde
entsprangen, und die unstreitig von Irritation der Nervenscheide
an der Schnittstelle herrührten. Erweichende Umschläge be-
schwiehtigten sie bald, und .man konnte daher nicht zweifeln,
dass die Nervenenden vernarbt und üble Zufälle nun nicht zu
fürchten wären. Doch war noch der Knoten der ersten Narbe
schmerzhaft, die Empfindungen pflanzten sich aber nicht mehr
nach oben, sondern bloss nach unten fort ‚und hörten
nach einigen Monaten nach und nach auf. Dies ist also ein
Fall, in welchem eine geringfügige Verletzung sehr schlimme
Folgen hätte nach sich ziehen können, denn ohne Ausschnei-
dung des hintern Nervus tibialis würde wahrscheinlich das Glied
ganz kraftlos geblieben seyn. Diese Affection des Nerven ist
aber nicht mit jener zu vergleichen, welche das Wesen der von
selbst entstehenden Neuralgieen ausmacht. Im eben mitgetheil-
ten Falle und in ihm ähnlichen Fällen leidet der bei einer Ver-
wundung mitbetroffene Nerv nur durch die Gewaltthätigkeit, die
für ihn aus der fortschreitenden Verdichtung des Gewebes her-
vorgeht, und letzteres verursacht immer heftiges Zerren, Bei
den von selbst eintretenden Neuralgieen besteht dagegen Krank-
heit in der Nervenscheide, und dieser krankhafte Zustand kann
sehr verschiedenartig seyn. Darin liegt auch der Grund, dass
Operationen im ersten Falle nützen können, während sie im letz-
tern selten einen guten Erfolg haben. Wichtiger, als der eben
erzählte Fall, ist folgender: Eine 35jährige Dame von reizbarer
Constitution hatte schon 9 Jahre heftige Schmerzen in der rech-
ten Hand in Folge einer oberflächlichen Exulceration der Gat-
tung Lupus. Mittel aller Art bewirkten höchstens sehr unbe-
deutende Veränderungen. Nachdem Alles vergebens versucht
worden war, wurde die exulcerirte Zellstubstanz durch ein Aetz-
mittel zerstört, wodurch eine röthlich -violette Narbe entstand,
in der sich 2 Monate lang fast keine Schmerzen fanden. Doch
begann später die Ulceration wieder und mit ihr der heftigste,
die Kranke überaus angreifende Schmerz, der so wuchs, dass
das Schlimmste zu fürchten stand. Der eigene Charakter der
Schmerzen brachte D. auf den Gedanken, den Nervus ulnarıs
auszuschneiden, um wenigstens so die Schmerzen zu beruhigen
and Schlaf hervorzurufen, wenn nicht diese Operation vielleicht
grössere Resultate gäbe, da sich die Krankheit genau auf den
Wirkungsbereich des Nervus ulnaris beschränkte. Bei der Ope-
ration, zu der sich die Kranke sehr leicht verstand, wurde der
Nervus ulnaris mit leichter Mühe blossgelegt, worauf man mit
2 Schnitten ein 6 Linien langes Stück aus ihm ausschnitt. Die En-
den zogen sich zurück und sogleich hatte die Kranke ihre Lei-
den, aber auch das Gefühl in dem vorzugsweise leidenden klei