VIL Staatsarzneikunde.
trieb bei jungen Mädchen und Knaben eine fixe Idee , ein unwi-
derstehlicher Drang zum. Feueranlegen, von einer verkehrten
Entwickelungsthätigkeit erzeugt, nicht selten ‚durch zufällige
Veranlassungen begünstigt und zur Ausführung gebracht wird.
Aber keiner dieser Männer hat jemals die Behauptung aufgestellt,
dass die krankhafte Feuerlust oder der s. g- Brandstiftungstrieb
eine eigenthümliche psychische Krankheit bei allen jugendlichen
Brandstiftern sey, welche deshalb als der Zurechnung unfähig er-
klärt werden müssten. Nichts desto weniger fanden sich Aerzte
und Criminalisten, welche den genannten Schriftstellern die An-
sicht beilegten, als nähmen sie unbedingt bei jedem brandstiften-
den Knaben oder Mädchen einen solchen Zustand an. Indem sie
nun den Brandstiftungstrieb abläugnen, erklären sogar Kinige
den Zusammenhang der krankhaften Lichtgier und Feuerlust (wie
sie Henke lieber genannt wissen will) mit der anomalen Entwicke-
lung zur Zeit der Pubertät für eine ungegründete Hypothese.
Zweierlei scheint daher den Verf. zu dieser Abhandlung veran-
lasst zu baben, einmal der Wunsch, die Meinung zu widerlegen,
als ob er und die genannten Männer, A. MeckeL, Masıvs, Vo-
GEL, Unbedingt eine krankhafte Neigung zur Brandstiftung annäh-
men., oder gar als eigenthümliche psychische Krankheit anerkenn-
ten, was er durch Anziehung seiner eigenen sowohl, als jener
Männer Schriften darthut; dann sucht er aber die Existenz dieser
Feuerlust gegen Fieumine (Horn’s Archiv Jahrg, 1830. März-
und April- Heft) und gegen Meyn (Zeitschr. f. Staatsarzneikde,
v. dd. Henke. 14. Ergänzungsheft) zu vertheidigen. Er beweist
durch vielfache eigene und fremde Erfahrungen , dass ‚zuweilen
eine instinctartige Feuerlust, Feuergier (die Benennung Brandstif-
tungstrieb verwirft er als einer Missdeutung fähig) bei anomaler
Entwickelung in den Jahren der eintretenden Geschlechtsreife bei
Knaben und Mädchen beobachtet wurde. Diese Feuerlust ist
erfahrungsgemäss periodisch ab- und zunehmend und verschwin-
det bei vollendeter Evolution; bei weit den meisten ,. durch ju-
gendliche Individuen verübten Brandstiftungen ergeben sich jedoch
strafbare Motive, :als Hass, Rachsucht, Schadenfreude u. s. w.
oder kindische Einfalt, Geistesstumpf heit, Heimweli; da aber
doch unbestreitbare Erfahrungen ‚jener krankhaften Feuergier
vorkommen, so ist die richtige Würdigung und Anerkennung eines
solchen durch leibliche und psychische Störung bedingten un-
freien Zustandes, der die Zurechnung aufhebt, nöthig und uner-
lässlich, ohne dass man deshalb, wie die-Criminalisten den Aerz-
fen zuweilen vorwerfen, überall den Brandstiftungstrieb argwöh-
nen müsse, wo ein jugendliches Subject Brandstiftungen verübte.
Kommen aber den Aerzten Fälle von jungen Brandstiftern vor,
bei denen vor, während und nach der Vollbringung der Brand-
stiftung offenbare Merkmale andauernder Geisteszerrüttung oder
auch nur eine Zeit lang dauernder, periodischer Störung der psy-
chischen Functionen sich zeigen: so genügt der Beweis, dass ein