266 II. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
oder verlängern. Nicht selten steht die Cholera wochenlang an
einem Orte, ohne benachbarte anzugreifen, und sie fordert nur
in einzelnen Gassen ihre Opfer, bis ein Regenwetter ausbricht,
oder ein Wind sich ändert, wo dann die Krankheit mit Heftig-
keit um sich greift. Solche und ähnliche Ereignisse sind leicht
und befriedigend zu erklären, wenn man ein Miasma annimmt,
schwer aber, oder gar nicht, wenn man an ein Contagium. glaubt.
Endlich zeigt die Cholera auch durchaus nicht die Eigenschaften,
durch welche alle. andern acuten, ansteckenden Klankheiten sich
auszeichnen. Man hat die Cholera schon in jedem Zeitraume
aufgehoben, ihre Erscheinungen, ihr Verlauf und ihr Ende haben
nichts Gewisses, sie macht leicht Recidive, die Kunst übt einen
grossen Einfluss auf sie aus, durch ein gewisses Regim kann man
ihr entgehen, und nach Belieben kaun man sie herbeiführen.
Verhält sich Alles, wie angegeben, so kann nicht ein Contagium,;
sondern ein um die Menschen ergossenes Miasma die Art des
Krankwerdens bestimmen, dazu aber, dass die Krankheit wirk-
lich entstehe, ist noch eine Veranlassung nöthig, welche das
Contagium zu seiner Entwickehng nicht bedarf. — Für das Con-
tagium spricht nichts, als die Häufigkeit des Erkrankens neben und
nach einander und das Fortrücken der Seuche, doch ist beides
auch bei andern nicht contagiösen Krankheiten beobachtet wor-
den. Für die Behauptung aber, dass die Cholera nicht conta-
giös sey , sprechen alle oben angeführten Momente. [Salzb. med.-
chir. Zeit., Nr. 93 u. 94, 1831.} (K— e.)
222. Ueber die Vorläufer und Begleiter der
Cholera. Vom Physikus Dr. Casparı zu Chemnitz. Liesse
sich eine Regel auffinden, nach der mildere Krankheiten neben
der Cholera, vor und nach ihr, sich zeigen, so würde die Ver-
muthung eines Zusammenhanges zwischen ihnen Gewissheit wer-
den. Jetzt ist es noch eine blosse Vermuthung; die Regel‘ und
somit der Beweis eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen
der Cholera und ihren s. g. Vorläufern. und Begleitern muss
noch gefunden werden. Möglich ist er allerdings, wenn auch
andere Seuchen nichts Aehnliches aufweisen, da die Aechnlich-
keit hier nicht im Wesen, sondern in Zufälligkeiten besteht,
Vorzüglich glaubt man, dass Influenza, häufige Wechselfieber,
Brechdurchfälle und nervösgastrische Fieber, oder wohl auch
eine Verminderung der gewöhnlichen Krankheiten in einem ur-
sächlichen Verhältnisse mit der Cholera stehen. Bestätigte sich
dies, so würde sich zunächst daraus ergeben, dass der die
Cholera bedingende Einfluss kein anderes Medianm zum Träger
habe, als die gewöhnlichen epidemischen Einflüsse, was aber
wohl auch schon daraus hervorgeht, dass sie die stationaire
Constitution nicht zu verändern scheint, da dort, wo sie wü-
thete, nach ihrer Beseitigung die frühern Krankheiten wieder
auftraten. Existirte ein solcher Einfluss, so müsste: wohl Sach-
sen, das se lange von der Cholera verschont blieb, während sie