Chirurgie und Ophthalmologie. 493
trugen den Knaben halb besinnungslos nach Hause. Ein Wund
arzt legte am Abend in die Wunde Charpie, darüber Heft
pflaster und liess die Nacht hindurch über den Kopf kalte
Ueberschläge machen. Am nächsten Tage fand H. den Knaben
bei toller Besinnung, ohne bedeutende Kopfschmerzen und Fie
ber. Die fast ganz rundlichte Wunde ton der Grösse eines
Viergroschenstücks befand sich am untern, vordem Winkel des
rechten Scheitelbeines, war einen Zoll tief und mit ausgetre
tenem Blute überzogen. Um dieselbe genauer zu untersuchen,
machte H. nach auf- und rückwärts eine Zoll lange Erweite
rung, reinigte sie vom Blute und fand den Knochen in der an
gegebenen Ausdehnung durchstossen und ganz zersplittert; 5
bis 6 Splitter aber lagen ganz oberflächlich auf der harten
Hirnhaut und waren theils mit der Kornzange, theils mit der
Pincette leicht zu fassen und herauszubefördern. Die Hirnhaut
zeigte nur eine rundliche Verletzung von der Grösse eines Sil
berkreuzers, woraus etwas Blut floss. Das Gehirn selbst schien
nicht verletzt, wenigstens konnte H. mittelst des mit Oel be
strichenen in die Wunde eingeführten Fingers nichts ent
decken, so wie keine Spur von Austritt der Gehirnsubstanz dar
auf hinwies. Da nach Entfernung aller Knochensplitter die
Knochenöffnung so gross war, dass das Wundsecret leicht
ablliessen konnte und keine consecutiven Zufälle zugegen wa
ren, uuterliess H. die Trepanation, trug nur den zackigen Kno
chenrand mit einem Linsenmesser ab, verband die Wunde mit
telst eines mit Oel bestrichenen Bourdonnets, legte darüber
eine Lage trockner Charpie, welche mit einigen Heftpflaster
streifen befestigt wurde und liess über den Kopf häufige kalte
Fomentationen machen. In den ersten 3 bis 4 Wochen schritt
die Heilung glücklich fort, zwar sonderte sich die harte Hirn
haut, etwas über den Umfang ihrer Verletzung hinaus, durch
Eiterung ab, schnell aber zeigte sich darauf gesunde und schö
ne Granulation, welche gegen den 28sten Tag die ganze Kno
chenhöhle ausgefüllt hatte. — H. bemühte sich, die Vereini
gung der äussern Wunde mit den emporschiesscndcn Fleisch-
Wärzchen der Knochenhühle so lange abzuhalteu, bis sich der
Knochenrand abgestossen hatte, der gegen 2 Linien breit int
ganzen Umfange, halb necrotisirt, aber noch immer fest und
unbeweglich aus der Fleischmasse hervorragte. Erst gegen
den 40stcn Tag sonderte er sich in dünnen, ausgeschweiften
Plättchen stückweise und nach öfterem Rütteln mit der Pincette
ab, worauf H. die äussern Wundlappen mit den Granulationen
der Knochenwunde sich vereinigen liess. Pat. klagte nicht
über Schmerz am Kopfe, befand sich wohl und brachte schon
seit 14 Tagen fast den ganzen Tag ausser dem Bette zu.