490 Materia medica und Toxicologie.
mer gespannter, der Fundus der Blase reichte über den Na
bel hinaus, und man fühlte dieselbe wie einen schwängern Ute
rus durch die Banchdecken hindurch. Schmerzen und Angst
steigerten sich mit jedem Augenblicke. Jetzt wurde L. gerufen.
Der vorher beschriebene Zustand war bereits entzündlich ge
worden, denn bei der leisesten Berührung der Blasengegeml ver
mehrten sich die heftigen Schmerzen, der Puls war beschleu
nigt und voll, der Durst peinigend und der Bauch stark aufge
trieben. Da bereits auf dem Unterleibe, besonders in der
Schoossgegend Blutegel gesetzt worden waren, liess L. sogleich
noch einen Aderlass machen und angemessene Antiphlogistica
reichen. Auch L. versuchte jetzt den Catheter anzulegen, al
lein, ob er gleich mit demselben in die fast bis zum Bersten
ausgedehnte Blase gelangte, ohne Erfolg, weil das geronnene
Blut in der Harnröhre und dem Blasenhalse den mit einer
ziemlich grossen Oeffuung versehenen Catheter ebenfalls ver
stopfte. Schon glaubte man nur noch in der Punction der
Blase Rettung zu finden, setzte indessen den Kranken noch in
ein warmes Bad. In diesem strömte der blutig rothe Harn in
starkem Strahle aus der Harnröhre,, wie beim Aderlass am Fas
se, wenn sich dieser im warmen Wasser befindet. Diesen Au
genblick benutzte L. um den Catheter einzubringen und führte
denselben, doch nicht ohne Wiederstand des von Schinerzen ge
quälten Kranken ein, worauf mit Blut gemischter Urin in star
kem Strahle hervorstürzte. So wurde die Blase völlig entleert,
augenblicklich Hessen die unsäglichen Schmerzen nach, und der
Kranke war gerettet. Nachdem antiphlogistische und demnlci-
rende, dann antispasmodisclie und stärkende Mittel nebst ver
schiedenen Einreibungen, heissen Breiumschlägen, aromatischen
Kräuter - und Malz-Bädern und Bähungen von Flieder und
Mohnköpfen, Schierling und Bilsenkraut 3 Wochen laug ange
wandt worden waren, erfolgte völlige Genesung. Iu dieser
Zeit, besonders in den nächsten Tagen nach der ersten Ent
leerung der Blase, musste der Catheter noch dreimal angewandt
werden. — Jetzt erst gestaud Pat., dass er die Morison’chen
Pillen 10 Tage lang gebraucht habe und überreichte L. noch
einen ziemlichen Yorrath dieser Arzneien. Die chemische Un
tersuchung ergab in dem Pulver Weinstein, Zucker und Zimmt,
in den Pillen No. I. Aloe, Coloquinten, Gutti, Weinstein und
eine Gummi ähnliche Substanz; in den Pillen No.II. dieselben
scharfen Mittel, doch die Coloquinten und das Gutti in noch
grösserer Menge und roher Beschaffenheit. Erwägt man
die Heftigkeit und Schärfe, wodurch diese Mittel selbst auf
den Darmcanal gesunder Personen einwirken, erwägt man, dass
sie Congestionen des Bluts und vermehrte Secretion der Säfte