422 Chirurgie und Ophthalmologie.
Nur wenn der Zug so heftig wirkt, dass durch ihn die ge
zerrten Muskeln ausser Thiitigkeit kommen, gelingt die Repo
sition; doch mit welchem Nachtheile für die gezerrten Par-
tieen, Gelenkbänder, Muskeln, Sehnen, Gefitsse und Nerven? —
Sind die den Gelenkkopf au die regelwidrige Stelle andriik-
kenden Muskeln erschlafft, so muss die Reposition leicht sein;
anders, wenn diese Muskeln gespannt sind, wo man dann frü
her die betreffenden Muskeln erschlaffen muss. Die Erschlaf
fung wird entweder dadurch versucht, dass man den Muskel
die beugende oder streckende Rewegung passiv vornehmen
lässt, oder man kann den Muskel auch dadurch erschlaffen,
dass man einen auf deu Verlauf seiner Muskelfasern senkrecht
stehenden Druck aubringt. Der Verf. behauptet nicht, dass
man in jedem Falle dadurch einen Muskel erschlaffen könne,
dass aber bei Luxation aus dem Oberarmgelenke diese Me
thode viele Vortheile bringe, kann er verbürgen, da er die
selbe oft mit Glück angewendet hat. Gelingt (fiese Manipu
lation bei frischer Luxation nicht, so hat man entweder nicht
genug Kraft angewendet, um den Muskel zu fassen, oder man
hat den Druck auf den Gelenkkopf gegen die Gelenkhöhle hin
nicht schnell genug nach angebrachtem Muskeldrucke folgen
lassen. — Vielleicht lässt sich diese Methode für Erschlaffung
der Muskeln auch auf andere schwer reponible Luxationen
ausdehnen, z. B. auf die Luxalipnen aus Hilft- und Kniege
lenke. Zweimal hat der Verf. diese Methode auch bei Luxa
tionen aus dem Unterkiefergelenke angewendet. Bei Aus
renkung aus dem Oberarmgelenke verfährt er, wie folgt: ha
ben andere Chirurgen mit der Luxation ein oder mehrere Ein
richtungsversuche vorgenommen, so ermittelt er zuerst, oh die
Muskeln um das Gelenk herum straff oder schlaff sind. Im
letztem Falle sucht er durch schnellen und hinlänglich
starken Druck mit beiden Damnen, oder mit mehreren Fin
gern den fuxirten Gelenkkopf gegen die Gelenkhöhle hin zu
schieben, was gewöhnlich beim ersten Versuche gelingt. Füh
len sich die Muskeln hingegen sehr straff an, ziehen sie hef
tig den Gelenkkopf an die fehlerhafte Stelle hin, so umfasst
G. mit beiden Händen, die Daumen nach auf- und auswärts,
die Muskeln des Schultergelenks, drückt mit entsprechender
Kraft lind sucht zugleich durch gegen den luxirten Kopf an
gebrachten Druck der Finger denselben in entsprechender
Richtung gegen die Gelenkhöhle zu schieben. Gelang diess
nicht, so fehlte es den Händen an gehöriger Stärke. Doch
immer ist es zum Gelingen dieser Handgriffe nöthig, dass man
sich einige Fertigkeit erworben habe. Man muss dabei nach
La Motte die obere Extremität so aufheben, dass dieselbe