Chirurgie und Ophthalmologie. 371
und wulstförmig herabhängend, fast das untere Lid bedeckte
und die Hornhaut von einem Walle der angeschwollenen und
entzündeten Bindehaut des Augapfels umgehen war; grosse
Lichtscheu und sehr bedeutenden Ausfluss von ununterbrochen
über die Wange herabfliessender Flüssigkeit. Die heftigen
Schmerzen, die den Kranken in den beiden ersten Tagen quäl
ten, batten sich am dritten Tage sehr vermindert und waren,
wenn auch nicht ganz verschwunden, docli nur sehr mässig
vorhanden und entsprachen keineswegs der Heftigkeit der übri
gen Symptome. Der Ausfluss aus der Harnröhre war nie un
terdrückt gewesen. Die früheren Erfahrungen des Vfs., nach
denen ein rigoros eingcleitetes Verfahren keineswegs immer
einen sehr günstigen Ausgang bei dergleichen Fällen lierbei-
fiihren konnte, sowie die Verminderung des in den ersten
Tagen so heftigen Schmerzes ohne allgemeine und örtliche
Blutentziehungen und die nicht auffallend gesteigerte fieber
hafte Aufregung veranlassten den Verf., hier von allen Blut
entleerungen abzustehen und nur ein derivirendes Heilverfah
ren einzuleiten. Pat. erhielt daher eine Lösung des Natrum
sulph. mit Brechweinstein, in die Urethra wurden Einspritzun
gen von Brechwainstein gemacht, in den Nacken und auf die
Oberarme wurden Vesicatore und auf die untern Extremitäten
Senfteige gelegt, und die Augen wurden mit besonderer Sorg
falt in sehr kurzen Zwischenräumen mit schwachem Infusum
ßor. Satnb. von der in ihnen abgesonderten und angehäuften
Flüssigkeit gereinigt. Nach 14 Tagen wurde eine schwache
Sublimatlösung (gr./2 — j auf Jvj. Wasser mit 3/2. Ti net. Opii
croc.) als Augenwasser angewendet und mit derselben bis zur
Genesung fortgefahren, die nach etwa 5 Wochen so vollkommen
eintrat, dass man weder an der Hornhaut, noch an der Bin
dehaut der Lider die geringste Spur des frühem Uehels be
merken konnte. Der giiustige Erfolg dieses Verfahrens darf
nicht zu der Behauptung verleiten, dass Bluteutleerungen in
allen Fällen des Augentrippers überflüssig wären, doch wird
dadurch bewiesen, dass ein rigoros antiphlogistisches Verfah
ren, wie es allgemein bei diesem Uebel empfohlen wird, nicht
immer nöthig ist und dass daher da, wo diese Nothwendigkeit
nicht ganz drängend hervortritt von reichlichen Blutentziehun
gen und grossen Gaben Calomel gewiss mit Vortheil abgestan
den werden kann. Ob im mitgetheilten Falle die Augenblen-
norrhöe durch Uebertragung des Tripperschleims oder auf me
tastatische Weise entstanden war, liess sich bestimmt nicht er
mitteln. [Medicinische Zeitung v. Vereine Heilkunde in
P> •eussen. 1841. JYo. 5.]
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