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Gynäkologie und Pädiatrik.
Schwangerschaft und Bestimmung der einzelnen Monate dersel
ben sind für die practischc Medicin so wichtig, dass auch der
geringste Beitrag zur Aufhellung dieses Gegenstandes willkom
men sein muss, würden dadurch auch nur frühere Mängel und
Irrtkümer als solche dargestellt. Jeder Arzt wird beim Ein
tritte in die Praxis oft verlegen geworden sein, wenn er über
bestehende oder nicht bestehende Schwangerschaft ein Urtheil
abgeben sollte, besonders der gerichtliche Arzt. Es dürfte
daher verdienstlich sein, dass der Vf. iu Folgendem auf Man
ches aufmerksam macht, was den Unerfahreneren irre leiten
kann. — Meist werden in den geburtshülflichen Handbüchern
unter andern Schwangerschaftszeichen auch die Veränderungen
der Vaginalportion in den verschiedenen Monaten angegeben,
indem Form und Länge derselben nach Zoll und Linie bestimmt
und für alle Fälle eine gewisse Norm festgesetzt wird. Ja,
um dem Schüler die Sache recht anschaulich zu machen, zeigt
man ihm Nachbildungen von Vaginalportionen aus den verschie
denen Schwangerschaftsmonaten und lässt sein Gefühl an den
selben üben. Die Folge davon ist, dass der Schüler diese
Maa'sse und Formen auch in der Natur wiederzufinden hofft
und dass er die Vaginalportion des lebenden Weibes nach ih
nen beurtheilt. Da kommt es dann oft vor, dass die Vaginal
portion die Zeichen schon weit vorgerückter Schwangerschaft
an sich trägt, während alle übrigen Schwangerschaftszeiehen
fehlen und so die Entscheidung, ob Schwangerschaft zugegen
sei, ganz unmöglich wird. Der Verf. hat diess oft selbst er
fahren, da er als Physicus oft dergleichen Untersuchungen an-
zu stellen hat. Er hat seit mehreren Jahren viele hundert Per
sonen vom verschiedensten Alter, Nichtschwangere und Schwan
gere aus allen Monaten untersucht und sich dabei stets des
Mutterspiegels bedient, und er hat sich dabei durch Gefühl und
Gesicht überzeugt, dass .Nichtschwangere an ihren Vaginalpor
tionen eben sowohl die von der Schule angegebenen Zeichen
der ersten Schwangerschaftsmonate darbieten, als Schwangere.
Man findet bei Nichtschwangcren Vaginalportionen von allen
Formen und Längen: sehr dicke, wulstige, fast einen Zoll lan
ge; sehr dicke und ganz kurze, halbkugelförmige ohne deut
lich vorspringende Muttermundlippen; oft ist die Vaginalpor
tion bis auf die Lippen verkürzt, ja selbst die Lippen ver
schwinden und man fühlt den Muttermund im Scheidengewöl-
be, ohne dass dabei der Uterus irgend gelitten hätte. Der
Muttermund ist eben solchen Verschiedenheiten unterworfen und
bei denen, die schon mehrmals geboren haben, oft so erweitert,
dass die Fingerspitze leicht eindringen kann. An eine Normal
form kann man gar nicht denken, denn die Vaginalportionen