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Pathologie, Therapie und mediciuische Klinik.
gelassen. [Med. Corresp. Blatt d. wärt, ürztl. Vereins.
Bd. X. Nr. 28.]
III. Pathologie, Therapie und medici-
msciie Klinik.
3. Ueher dieKrankheiten der Armen. Skizze aus
dem Tagebuche eines Armenarztes. Von Dr. Haller, sup-
plirendem Armenärzte in Linz. Nachstehende Zeilen sollen das
aussprechen, was die Erfahrung in den Hütten der Armen in
das Innere des Yerfs. eingegraben hat. Hoffentlich wirken sie
anregend auf das gleichgestimmte Gcmiith manches Collegen
und werden dadurch auch den Armen nützlich. Niemand kann
das dem Armen sein, was der Arzt ihm ist, wenn er nicht blos
Recepte Terschreibt, sondern ihm wahrhaft mit seinem Herzen
beisteht! Liegt nicht schon für den Armen darin Trost und
Hoffnung zur Besserung, dass er doch noch den Arzt hat, der
täglich fragt: wie geht es? und freudig Hülfe bietet. Da nun
der Arzt gleichsam letzte Instanz derArmuth ist, wird er wohl,
wenn er einmal das Herz des Armen gewonnen, bloss den
kranken Körper heilen wollen, wird er nicht forschend nach
den Ursachen des Uebels zugleich auch in den Geist einzudrin
gen suchen? Und ist ihm diess gelungen, wo findet er den
Ursprung des Uebels häufiger, als im Willen? Hier geht auch
die Heilkunst in die Moral über; eine kann ohne die andere
nicht bestehen und beide müssen sich vereinigen zum Wohle
der Menschheit, liier steht der Mensch ganz rein dem Men
schen gegenüber — und sollte man da nicht geistig und so
einwirken können, dass sich mit der Krankheit und ihrer An
lage auch das innerliche Leben anders gestalte? Bei Epide
mien, beim Einbruch grosser Kälte, bei wechselnder Friihlings-
und Hcrbstwitlcrung erkranken die Armcu zuerst, indem sie
mit ihrem minder starken Körper den schädlichen Einflüssen
nicht widerstehen können. Zuerst erliegen Kinder und Alte;
jene weil sie meist ursprünglich kraftlos sind, diese weil sie
ihre Kraft in Arbeit und Sorge aufgezehrt haben. Die Haupt
ursache der Krankheiten der Armen sind: feuchte, unreine und
schwere Luft in den erdschössigcn Wohnungen, wenig schüt
zende Kleidung, nie hinlänglich geheizte Stuben und schlechte
mangelhafte Bedeckung im Bette selbst. Eine weitere triftige
Ursache bildet die spärliche, unsaubere Nahrung; denn in ver
dorbenem Fleische, in aufgewärinteu, bereits schimmligen Spei
sen besteht leider nur zu oft das ganze Mahl. Eine fernere
Ursache ist auch zu reichlicher Genuss des Branntweins bei
beiden Geschlechtern, wodurch sie das durch Unglück unidü-