Full text: (7. Jahrgang)

S8 — 
milie floh, um dem Tode vder gar dem Elend, nach der Peft- 
Haracfe gebracht zu merden, zu entrinnen.“ „Pefjt!“ ruft Osman 
mit unfäglider Furcht. „Jamohl, jedes Haus ift heimgefucht 
‚vorden, wer nicht jtarb, floh vder ift gezwungen worden, In die 
Peftbaracke zu gehen, von diejfen Engländern!“ Das war eine 
Nachricht! Davon Hatte man in Ballapırr noch nicht gehört. 
SDaman las ja auch feine Zeitung. Er Itand und ftarrte vor 
ih hin, die Zunge Febte an feinem Gaumen. Da ertönte das 
Geräufch eines daherrollenden Wagens. „Sie fommen,“ fagte 
der andere, „um nach den Toten und Sterbenden ZU fuchen,“ 
und er verbarg fich Haftig, um nicht mit hinwengefegt zu wer- 
den. MArmer Dsman, er ftand wie feitgebannt und fah: aus 
drei Häufern trug man Leiden, eine aus Otmars Haufe, wo 
er hatte mohnen wollen während feines Aufenthalts in Bom- 
bay. Er fah die Leiche, fie Hatte die Form eines jungen Mäd- 
Hen8; aber Ohren und Nafe waren ihr abgehauen worden, um 
fie unfenntlidh zu machen. Jdr langes, Ihmwarzes Haar f{tarrte 
von Blut, eS mußte die Barbarei alfo glei nach ihrem Tode 
vollbracht worden fein. Diefer Anblik brachte Osman zu fich 
jelbit. Er ftürzte hinweg, die Straße Hinunter, welde foeben 
der Wagen mit den Leiden heraufgekommen war, Sein Zur: 
an’ wurde Iofe auf der Flucht, daS eine Ende flatterte im 
Winde, er acdhtete eS nicht, fein Koran fiel aus dem Bündel, 
nun verlor er fein Kleid, er adhtete eS nicht; nur fort, nur weit 
fort! Son mar die Peijt auf den Ferjen, 
8 war dunkel geworden; die tropifdhe Nacht fällt rafch. 
Dsmans Fitke waren wie Blei. OD, daß er Hlügel gehabt Hätte! 
(Er itolperte, er fiel und fühlte, er lag auf einem warmen, at= 
menden Körper, er war bemwußtlos geworden und wußte es 
daher nicht, daß er auf einem an der Peit Sterbenden lag, den 
Jeine Angehörigen hinaus auf die Straße geworfen hatten, um 
nicht gezwungen zu werden, alle ihre Habjeligkeiten den Sffent- 
(lichen Desinfektoren zu übergeben und dazu in den fOhreckkichen 
Beitbaracden zehn Tage Quarantäne 31 Hiegen und bet ihrer 
Heimkehr, wenn e$ eine folde gab, ihres Vaters Haus der 
öffentliden Siderheit halber in Ruinen zu finden, wie fo viele 
in diefem Viertel. Wer mwirklidH hHeimkehrte, fand ja oft fein 
Haus verjOmunden, feine Angehörigen tot und geflohen, feinen 
Befig verödet und fih felbjt als unglücliden, vereinfamten, 
Hungernden, vbdachlojen Bettler, der vielleicht fon an der 
nächiten Straßenecfe der fOrecklidhen Seuche zum Opfer fiel. 
63 war um Mitternacht... Dsman ermwachte. Der Mond
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.