Full text: (6. Jahrgang)

Heute ijt es Sonntag; ich reife aud) heute nicht, Jondern 
ruhe, und freue mid), daß e$ einen Zag in der Woche gibt, an dem 
wir ruhen dürfen, denn jo follten wir alle den lieben Sonntag 
anfehen, als eine Gabe von unferem himmlifiden Vater, al8 cinen 
Snaden-Zag, an dem wir nicht zu arbeiten brauchen. ; 
Ceylon ut eine wunder]dhöne große Infel mit einem unenDd- 
Ligen Keichthum an Palmen aller Art; id fibe im Hotel und laffe 
nieine Mugen Uber den Hafen von Colombo hinausgleiten; fo weit 
meine Hugen an dem einen Ufer entlang reichen können, ift die 
ganze Küifte mit einem dichten Kranz von hohen, fAlanken Bahnen 
beftanden, deren lange Blätter wie mächtige Federn in der Luft 
wehen; unter den Bahnen aber und zmwifchen ihnen mäcdhit ein un- 
entwirrbares Durcheinander der verfdhiedentten Schlinggewächfe, 
to daß alles cine dichte Mafje zu fein fOheint. 
her Ceylor. it Iroß aller Pracht leider noch Übermiegend 
eine Heidnitche Infel; wietvohl ich mid dariiber vermwunDdere, wie die 
Million auch hier ihre Vorboften vorgefhoben und überall die 
äußeriten Punkte befeßt hat, Jo begegnet einem dodg das Heidentum 
auf Schritt und Iritt; man kann ruhig fagen, daß von den Hun- 
derten von braunen und fhmwarzen Menfchen, die um einen her- 
umfemirren, im Durcdhidhnitt fauın einer ein Chrift it. In den 
Stadt-Teilen und -Stirahen, in denen die Eingehorenen wohnen, 
fpürt man natürlid nicht, daß cS Sonntag-Morgen it, denn die 
Heiden haben feinen. Sonntag; fie treiben e& Sonntag und Mon- 
tag ganz glei und wiffen nicht8 von einer Ruhe in Gott für Leib 
und Secle; in vielen Straßen aber, in denen die Europäer 1nd 
die Eingeborenen mehr durcheinander wohnen, fplürt ınan e8 doch 
jehr: heute it Sonntag. 
So war ih denn auch heute früh hier in Hotel darüber er= 
ftaunt, wie ruhig und {tik alles im SegenjabB zu fonft herging. 
Ich habe ein nad der Straße zu gelegenes Zimmer, cine Ireppe 
hoc); ‚am ganzen Haufe entlang geht eine Veranda oder gehen 
Balkons von jeder Etage, damit die Sonne nicht ihre Strahlen 
hincinjenden kann; eine Gla$tür führt auf den Balkon hinaus; 
die Tür muß nachts der Hike wegen offen ftchen; das Bett fteht 
unmittelbar nchen der offenen Vür; man Ihläft fomit falt auf 
der Straße und hört auf das deutlichfte die Nacht hindurch jedes 
Seräufeh hHinauftönen; die erfte Nacht mar c8 mir cin menig fremd; 
ich dachte immer, wenn nur nicht jemand den Balkon hinkuf- 
Hettert und zu dir hineinfommt; aber man gewöhnt fich Icicht an 
alles, auch daran, vor offenen Türen und Fenitern zu fqhlafen. 
Drauken auf dem Korridor lagen der Länge nach auf Heinen Xi
	        
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