Full text: (6. Jahrgang)

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wollen. Es fonumen zuweilen arg zugerichtete ins Miffionshaus, 
vo ihnen idre Wunden genäht und verbunden werden. 
€$ war in der Hungersnotzeit des Sahres 1900, als vier 
Männer einen foldhen Ucberfallenen auf einer Bahre zu 18 
brachten. Die Männer waren Heiden, das konnte man ion an 
ihrer fAmubigen Keidung fchen. Sie ftellten die Bahre nieder 
und erzählten, daß fie weit Her aus dem Baftarlande känten, und 
daß der Mann von mehreren Bären überfallen worden jei. Mein 
Mann lüiftete das uch, und e$ bot fich uns ein trauriger Anblick. 
Dort lag der Arme mit tief Haffenden Wunden am ganzen opf, 
das Auge hHerausgeriffen, umd die Kehle zerkrabt; er Hauchte mit 
Anftrengung: „Ich habe feinen Vater und Feine Mutter, Feine 
Hrau und Feine Kinder und bin ganz verlaffen, wenn dır dich nicht 
meiner erbarmit!“ Much ohne diefe Verficherung hätten wir uns 
jeiner angenommen. Er ward auf die Veranda gelegt, feine 
Wunden gereinigt und genäht, aber ohne viel Hoffnung auf Ge: 
nefung! -— Da faß er nun Tag für Vag, mit einem großen 
Zuch völlig bededt, wie cin Sterbender! Das Zuch follte ihn vor 
den Dielen Hiegen fOHKBen, die fich fo gern in die Wunden: feben 
und fie verunreinigen. So Jaß er wochenlang auf demfelben Zec, 
und wenn id ihın feinen Reis brachte, wunderte ih mid, daß er 
immer noch Ichte, weil 2r ganz teilnahmlos fohien. 
Zwei Männer, au Patienten und Bittende, erboten fich, 
für iOn zu fochen und zu forgen. Sch ließ 08 zu, weil e& Stanıme8- 
genofjen und auch Heiden waren. Mber was itellte fih heraus? 
Die Pfleger verkauften jeinen Reis und ließen ihn dungern. — 
Das war abjcheulich, nicht mahr? Mber von Heiden, die das Gefeh 
Sottes nicht Fennen, Hätte ich e& Kaum anders erwarten dürfen. 
Sch übergab die Pflege jebt in die treuen Hände eines Chriften, der 
jo gut für ihn jorate, daß er fich fichtlid) erholte und bald den 
erjten Gang wagte. — Das war für mid) ordentlich eine Freude, 
als rau Zimm und idh ihn eines Tages wohl fehr entitellt, aber 
doch ganz gefund am Teich Wafjer {höpfen fahen. Wir erkannten 
wieder, daß Gott audh an den Heiden Wunder tun kann. 
Aber nun fommt der Schluß, der euch gar nicht fehr gefallen 
mird. Als der Mann nun ganz hergeftellt war, wer eridhien da? 
— — GCeine Frau mit drei Kindern! — Ya, das ift Heidnifche 
Niecbe! In der Not hatten fie ihn berlaffen, und anftatt ihn zu 
pflegen, fich gar nicht um ihn gefümmert, und er — Hatte fie ver- 
leugnet. — Nicht wahr, das empört euch? Mer noch trauriger 
machte e8 mich, daß fie Io ohne Sruß und Dank abzogen, nachdem 
lie nod) von meinem Mann eine Gabe erbeten hatten. Nicht wahr,
	        
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