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„Sit das etwas, das man fo
geheim halten muß?“ fragte ich
eritaunt.
Aber da bekam Knut fo wunder:
bar blanke Augen, und es zucte fo
merfmürdig um feine Mund:
winfel, und id verftand, daß ich
ihm wehe getan. RMeumütig fiel
ig im um den Hals und bat
ihn, er möchte nicht traurig fein;
aber ich gab zu, daß id) es nicht
begreifen fünne, er möchte mir
das Geheimnis erflären. Die
Erklärung fam: Lange Hatte er
überlegt, ob er nicht etwas ent:
behren Kfönne, was wirklich fein
eigen fjei, und was er für Die
Million geben Könne. Cr {ah
ja, wie die Mutter tat, wenn fie
Sier und Küfe verkaufte, deren
Ertrag auf vielen Höfen in die
Tafche der Hausfrau fließt. Dann
legte fie immer einen Teil davon
im die Mijfionsbüchje. Er Hatte
aud) den lieben Gott gebeten,
daß er doch etwas bekommen
möchte, worüber er frei verfügen
fönnte. Mer Geld Hatte er nie
in Händen und gerade Geld müßte
e8 ja jein.
Run erhielt Knut jeden Sonn:
tag — morgens und nachmittags
— je zwei Stüde BZuder zum
Kaffee. Da war es am Weihnachts
tage des vorigen Jahres, als
ibm beim Kaffeetrinfen auf ein:
mal der Gedanke kam: „Wenn
Mutter mir ale meine Zuder:
tüde abfaufen wollte, dann be:
fäme id) Geld für die Miffton.“
Sofort teilte er der Mutter
jeinen Plan mit, die auch fogleich
zuftimmte. Sie fAenkte ihm die
Hübidhe Schale, um den BZuder
darin. zu fjammeln, und verfprach
ihn, jedes Mal, wenn fe voll
jet, 40 Big.
„Denke dir,“ erzählte Knut,
„ih habe die Schale fhon drei
Mal voll gehabt, und Habe an:
gefangen, zum bierten Mal zu
fammeln. Weißt du, mandmal
gibt Mutter mir drei Stüde,
fo wird die Schale wohl bald
wieder voll fein.“
3 war, al8 wenn die Freude
von ihm ausfirahlte und eS Hell
um ihn herum madte, während
e5 inzwijchen angefangen Hatte
zu dämmern. Ich Konnte nicht
ein einziges Wort fagen.
Das war die erfte Miffions
Predigt, die ih Hörte. Seit:
dem hörte ich viele. Mber keine
von ihnen hat fo mächtig zu mir
geredet und if fo tief in mein
Herz gedrungen wie diefje, und
feine Erinnerung fteht {0 lebendig
vor mir, fie ft wie das Samen:
forn, es birgt Leben in fidH und
muß Dort weiter leben, wo es
hingelegt wird. — Hier {Hloß
Vater, Aber den Samen Hatte
er Dineingelegt audy in mein
Herz und er {Hlug Wurzel und
wuchs, bis er endlidH zu einem
großen und {Hönen Baum wurde.
Nun fende ich diejes Samen:
forn weiter hinaus zu allen Kin-
dern, die dies lefen, und ich
glaube auch, e& wird fich feftfegen
und feimen bei dem einen oder
anderen; e8S wird doch fo dringend