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und marm gebettet. Dom zweiten
Tage an war es dann ruhig und
machte wenig Mühe. CS wurde aud
getauft und bekam den Namen
Gya. In der Naht Iag es in
jeinem Korbe neben meinem Bette.
Um 10 Uhr erhielt Hein Cva nod)
einmal die Flajhe und damit be-
anügte fie fi bi3 zum frühen
Morgen. Wachte fie in der Nacht
auf, fo beruhigte fie fich mieder,
fobald fie umgebettet war. VBetrach-
tete id fie dann und fah, wie fie
gelegentlid) im Schlaf lächelte,
gerade wie ein Kinddhen dahıim,
jo Fonnte iq) fie fehr ‚lieb haben.
Daher war ih auch faft traurig,
al3 {ich eine Chriftenfrau meldete,
die e3 gegen ein monatliches Koft:
geld verpflegen wollte. Sie Hutte
fein eigenes Kind, wohl aber einen
Stieffohn, der von num an, aus
abergläubijder Furcht, nicht mehr.
im Haufe der Eltern flief. Die
Frau erhielt das Kind unter der
Bedingung, eS mir alle 2 bis 3
Stunden zum Milchtrinken ZU
bringen; fo ift eS bis heute ge-
ölieben, und fie gedeiht gut dabei.
Nun Hat fie in Erna eine
Gefährtin befommen, und das ging
jo zu. Ende Januar 1903, als
ih in der Morgenfrühe vor Schul:
anfang an meinem Schreibti{dh
jaß, famen einige Leute an und
fielen mit den Worten ins Haus:
„Sie bringen fie!”
„Wen bringen fie?“
„Die Zwillinge.“
„Weile Zwillinge?“
„Die Zwillinge, die Heute Nacht
geboren, find und deren Mutter
gejtorben ift.”
„Ach,“ dachte ih, „die armen
fleinen Wejen! Ob fie überhaupt
Lebensfähig jein werden?“
68 mührte denn auch nicht
lange, fo „brachten fie fie.” Und
wie fahen fie aus? Anerliebit,
ein Knabe und ein MädhHen.
Eriterer groß und fräftig, die
vollen BäcdhHen und daS runde
Unterfinn ließen nichts zu wünjdhen
übrig. Das Heine Mädchen zarter,
aber doch nicht befonders Hein.
Meine Koftmäddhen fonnten fich
nicht genug daran freuen. Sofort
wurde ein Zettel ‚mit der frohen
Kunde zu Frau Gloyer gefandt.
Frau Nachbarin kam denn auch
bald, und wir teilten uns fhivefter-
{ich in unfjern Fund. Frau Gioyer
nahnı den Knaben, ich behielt
das Mädchen.
Die Mutter war Heidin ge:
wejen, aber da der Vater Chrift
ift, wurden die Kinder gleich ge-
tauft und heißen Erult und Erna,
So verjuden wir denn, die
drei Kinderchen mit der Flajdhe
aufzuziehen zur groBen Verwun-
derung der Eingebornen. Ber
im der Heimat wird Diele Kinder
in Pflege nehmen und ihrer in
täglicher Sürbitte gedenken, daß
fie Chrifti Schäflein fein und
bleiben möchten?
Nahfhrift der Redaktion,
Der Brief gelangt erft jeßt
zum Ybdörud, weil ich auf eine
Rhotographie Ddiefjer Kindlein