Full text: (2. Jahrgang)

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daß die Bewohner des Ort3 in 
Hülle und Füße Lebten, der würde 
fi fehr irren. Man fieht € 
dem Dorfe auf den erften Blick 
an, daß die Leute hier niemals 
über große MReichtümer verfügt 
haben. „Ewige Fülle“ fol nur 
bedeuten: Wir möchten gern 
in Hülle und Fülle leben. 
An der Mitte des Dorfe3 fteht 
ein Häuschen mit dem Giebel nach 
Süden gewendet. Dort wohnt 
Ye:-Sun-wa. Was ift das für 
ein Mann? Keder im Dorfe 
fann e3 ung jagen. € ift einer, 
der in der ganzen Umgegend als 
der größte Trunfenbold, Unruh- 
jtifter und Spieler befannt  ift. 
Eben fommt fein ermwachtener 
Sohn nach Hauje und im Unwiken 
und Schmerz über die Verfommen: 
heit eines MBaterS jagt er! 
„Vater, auf unferm Hauje Iaftet 
der Fluch.“ Der Vater gerät 
in Wut. „Wa3, fagft Du?“ ichreit 
er den Sohn an und ergreift ihn 
beim Bopf und zerrt und {hlägt 
ion fürchterlich. Die NahHbarn, 
die eS Hören, jagen ZU einander : 
„Bei Ye-Sun-wa- ijt mieder eine 
mwüfte Scene.“ Mit dem Sohne 
trauert aud) die alte, Ddreiund- 
fiebzigjährige Mutter des Yeo- 
Sun-wa. Sie haut mit Yoffrnungs- 
{ofen Blid in die Welt. Das 
Herz will ihr vor Sammer 
brechen; aber je fagt nichts. Sie 
ijt ein Foreanijhes Weib und weiß 
nicht anders, als daß fie jhon 
jeit ihrer Geburt ein verlorenes 
RWejen ft. AlS Jolches lebt fie, 
als iolche® wird fie fterben. So 
Hat fie e8 gelernt, Viel reden 
mag {ie nicht, Hoffen und beten 
fann fie nicht. Nicht wahr, das 
ijt ein arme3, troftlofes Leben. 
Um jene Zeit ließ [ich in diejer 
Gegend ein amerifaniicher Mifli- 
onar nieder, und bald darauf 
verbreitete {ih in dem Dorf 
„Cwige Fülle“ eine jeltjame Kunde. 
Die Leute unterhielten fich Ddar- 
über und Jagten: „Sin gewifjer 
Xefus von Nazareth, der der 
Sohn Gottes if, it vom Himmel 
zu den MenjchHen gefommen.“ 
Manche Fmmerten fich nicht 
weiter um bDdieje Kunde. Sie 
gingen ihrer Arbeit nad) und 
vergaßen alles, was fie gehört 
Hatten. Andere wollten e3 nicht 
glauben, Daß diefer eu auch 
ihr Heiland fei. Über zwei oder 
drei Berjonen aus Ewige Fülle 
erffürten fi bereit, der „neuen 
Lehre“, wie fie das Evangelium 
nannten, zu folgen. 
Nach einiger Zeit fand oben 
auf dem Hügel, wo der fremde 
Mijfionar eingefehrt war, eine 
Keftlichfeit ftatt. € Yieß, der 
Geburtztag Jefu jolle gefeiert 
werden. Die „Anhänger der 
neuen Lehre“ wurden geladen, 
aber auch andere hieß man will: 
fommen. Auch ein Mann, der 
nur ein Auge hatte, war aus den 
Dorfe Ewige Fülle erfchienen. 
Gr und alle andern waren erftaunt, 
al3 fie im Haufe des Mijfktonars 
einen mit brennenden Kerzen und 
allerlei merfwürdigen Sachen 
gejdmücten Baum jahen. € 
wurde gejungen und gebetet und
	        
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