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Zwei barmberziae Samariter.
war in NMowrangapur
während der legten Hun-
gersnnat, fo fchreibt unjer
Mijitonar Th. Ahrens, da
fam eines Mbends ein
fleine® achtjähriges Mädchen in
das Haus eine3S unjerer einge:
Bornen Chriften und bat fo flehentlich
um Eijen. Das Kind beftand
buchftäblih nur aus Haut und
Rnocdhen. Kein Wunder! Denn
Vater und Mutter Hutten ihren
Kindern die legten Nahrungsmittel
gegeben, welche fie bejejjen —
die meijten Heiden Haben ihre
Rinder doch lieb — und dann
waren fie vor Hunger gefturben.
Die Verwandten, zu denen das
Rind nun feine ZuNucdht genommen
hatte, mußten felber Hunger leiden
und hatten deshalb das Kind weg:
gejagt. So fam e® denn nad
Nowrangapur zu dem fremden
Manne, dem Chritten.
Der kann eS nicht über das
Herz bringen, das Mädchen wieder
in den ftrömenden Regen hHinaus-
zujagen, Hat er auch felbit nicht
viel, Io teilt er doch von dem
Wenigen dem Kinde mit, daß es
jeinen Hunger ftilen kann. Am
nächtten Morgen erfährt er, daß
die Heine WMuife noch einen jüngeren
Bruder befigt, der die ganze lange,
regnerifche Nacht auf der Land
jtraße Hat zubringen müfen. So:
bald dies ein anderer Chrift Hört,
holt er Idhnell eimwas Suppe aus
jeinem Haufe, geht dann eine Halbe
Stunde weit auf der Landftraße,
bi3 er den vor Hunger, Näjfe und
Rülte zitternden Änaben in einer
Pfüge liegen findet. Nachdem er
ihn etwas Suppe zu trinfen ge:
geben Hat, reinigt er ihr vom
Kopf bis zu den Füßen und frägt
in in fein Haus, um ihn mit
feinem eigenen Sohn erziehen zu
injjen. Leider ftarb der Keine
jhon bald darauf. Hunger und
Kälte hatten ihr Werk gethan;
die Hülfe war zu jpät er]chienen.
Das Mädchen aber wurde
am Leben erhalten und fam täg-
lid ins Mijfionshaus, um {ich
Eijjen zu Holen, fodaß es fih all:
mählig erholte. Sobald die Teue-
rung vorlüber ift, möchte ihr Lebens:
retter und WohHlthHüter fie als fein
eigenes Kind behalten.
Wahrlich, Heiden würden fich
diejer Kinder nicht jo väterlich
erbarmt Haben; folche Liebe Haben
dieje beiden Männer erft von Jeju,
dem rechten Samariter, gelernt.