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III. Chirurgie und Ophthalmologie.
hafte, suchte Ts. Hülfe 8 Stunden darauf und zeigte ihm
das abgelöste Stück. Dieses war blass, vom Blute gereinigt,
und so wie der Stumpf kalt. Die Schnittwunde war völlig
glatt und rein und durchdrang das dritte Glied des Fingers
quer da, wo die Hautfalte den Nagel begränzt. Obgleich
f. nicht hoffte, dass die getrennten Theile wieder zusammen-
"achsen w ürden, befestigte er doch die Fingerspitze auf ih
rem Stumpfe mit zwei kreuzweise überlegten, sehr schmalen
Hefipflasterstreifen, deren Enden ain zweiten Gliede durch ei
nen herumlaufenden Querstreifen gehalten wurden, welche
aber zwischen sich Stellen der Haut und Wunde frei Hessen.
Jede andere Bedeckung wurde vermieden und keine nassen
oder kalten Umschläge angewandt. 8 Tage liess T. den
ersten Verband unberührt; die angesetzte Spitze wurde bald
schwarz, roch leichenhaft und unter der stellenweise blasig
erhobenen Oberhaut floss etwas mussartige Feuchtigkeit aus.
Ais die Pflasterstreifen gelöst wurden, fiel die schwarze Fin
gerspitze nicht ab, sondern haftete auf dem Stumpfe. T. liess
den Finger täglich zweimal einige Minuten mit warmein Ca-
millen-Aufguss baden und abspülen, nach jedem Bade aber
einen Pflasterstreifen überlegen. Hätte die Vereinigung in
blossem Zusammenkleben bestanden, so wäre die Spitze in
der warmen Flüssigkeit losgegangen. Man konnte die Spitze
auch ohne Schaden berühren und sie liess sich mit sanftem
Drucke auf ihrer Grundfläche etwas hin und her bewegen.
Mit jedem Tage löste sich die Oberhaut mehr ab und die
dadurch entblösste Lederhaut war nicht frisch roth und em
pfindlich, sondern grauroth, so dass man Abstossung einer
Schicht erwarten konnte. An der Stelle der Hiebwunde
lief ein ziemlich tiefer, mit dünnflüssigem Eiter erfüllter Ein
schnitt herum. Die Knochenhaut oder die ihr zunächst lie
gende Schicht straffen Zellgewebes schien die Vereinigung
zuerst vermittelt zu haben, Allmählig lösten sich auch Lap
pen der Lederhaut; unter ihnen zeigte sich aber eine gesun
dere, frischere Fläche. Durch das Abgehen der Haut ver
minderte sich der Umfang der angesetzten Spitze; sie schrumpfte
dadurch am Stumpfe fest und vertrug den Wechsel des Ver
bandes und das Bad. Zuin Verbände diente jetzt ein Strei
fen Leinwand, der mit Rosensalbe bestrichen und umgewickelt
"urde. Das fernere Gedeihen schien der Umstand zu bedro
hen, dass sich der Nagel zu lösen begann, und als er nach
einigen Tagen fortging, war eine Grube an seiner Stelle, der
Knochen aber nicht eutblösst. So waren zwei nnd eine halbe
Woche nach Trennung und Wiedervereinigung der Theile
Verflossen, und es sollte sich jetzt zeigen, ob die angewachsene