IV. Gynäkologie und Pädiatrife. 125
Interessanteste bei dieser Beobachtung ist nun wohl unstreitig
das Auftreten des Pemphigus neonatorum in der Art, dass
er fast als Epidemie erscheint, in einer Stadt, einer Gegend,
wo er bisher kaum bekannt war, wenigstens erinnerte sich
die beschäftigste älteste Hebamme nicht, je dies Uebel gese
hen zu haben. Zunächst fragt sich nun: gewaun er diese
Verbreitung, die, soviel R. weiss, sich überhaupt auf 8,
wahrscheinlich aber auf noch mehrere Neugeborne erstreckte,
nicht etwa durch Ansteckung ? Anfangs glaubte man es, doch
als die Hebamme, schon ihres eigenen Vortheils wegen, Alles
that, um jede Ansteckung möglichst zu vermeiden und doch
das Uebel nicht ausblieb, als auch Kinder davon befallen
wurden, die von andern Hebammen gepflegt worden waren,
und auch auf dem Lande, in der Nähe der Stadt, ein solcher
Fall vorgekommen sein sollte, da wurde es wenigstens sehr
wahrscheinlich, dass Ansteckung nicht der einzige Grund der
Verbreitung war, durch den letzten Fall der Art, von dem
gleich w eiter die Rede sein wird, wurde dies aber ausser al
lem Zweifel gesetzt. Bei Annahme eines Miasma blieb es
aber unentschieden: ob dieses erst auf die Gebornen unmit
telbar, oder schon auf die Ungebornen mittelbar durch die
Mütter eingewirkt habe? Liesse man überhaupt die letzte
Art der Einwirkung zu, so fragte es sich noch immer: ob es
gerade ein Miasma, nicht etwa irgend eine andere, z. B. in
ihrer Ernährung während der Schwangerschaft liegende Potenz
war, unter deren Eiuflusse die Mütter standen. Dabei ist je
doch zu bemerken, dass keine der Mütter während der
Schwangerschaft von irgend einem Unwohlsein hervorstechend
ergriffen gewesen war. Für die, welche die Erörterung die
ser Fragen interessirt, wird besonders der Schluss der Beob
achtung des Verf. von Bedeutung sein. Er verliess nämlich
Verden Ende Januars, als jenes Uebel dort und zwar so
ziemlich mit Eintritt eines heftigen und nachhaltigen Frost
wetters bereits aufgehört hatte und kam nach Hannover. Et
wa 6 Wochen später kam auch mit ihrer Familie eine Dame
nach Hannover, die bis dahin, und namentlich während der
ersten 8 Monate ihrer Schwangerschaft, in Verden gelebt
hatte. Sie kam zur rechten Zeit mit einem gesunden Kinde
nieder. 3 Tage nach Geburt desselben wurde R. gerufen,
weil der Kleine au den Augen leiden sollte. Der Verf. sah
die etwas geschwollenen und gerötheten Augenlider und
dachte gleich an Pemphigus und wirklich erschien er am fol
genden Tage: es war dieselbe Krankheit, die R. kurz zuvor
In Verden beobachtet hatte. Niemand von der Familie konnte
muthmasslich von dort den Ansteckungsstoff mitgebracht ha-