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V. Psychiatrie.
freuen. Ich fuhr Pat., um zu sehn, welche Wirkung dies auf
sie haben würde, tüchtig an, und nannte sie ein unverstänpdi-
ges Mädchen. Sie lachte, Kurz darauf aber konnte man eini-
ges Wenige mit ihr sprechen, so fragte ich z. B., warum sie
Nichts geniessen wolle, worauf sie erwiederte, weil sie keinen
Appetit habe, Hierauf weinte sie mehrmals. Ich ergriff ihre
Hand, welche sie mir auch ohne Widerstand liess. Der Puls
war weder sehr beschleunigt, noch hart, aber klein und un-
regelmässig. Die Haut schien feucht werden zu wollen. Die
Zunge war schleimig belegt. Pat., welche ohnehin häufig an Stö-
rungen der Verdauung litt, war verstopft Ich verschrieb 2 Do-
sen Calomel, jede zu gr. jv. Gegen 7 Uhr fand ich Pat. ruhl-
ger. Sie erkannte mich sogleich bei meinem Eintritt. Von dem
Athem des Verstorbenen sprach sie eben so wenig, als von dem
Haderlump. Sie hatte stark geschwitzt, was sonst nie bei ihr
der Fall war, und auch jetzt noch war die Haut feuchtz der
Puls war weich und gleichmässig. Stuhl war noch nicht er-
folgt. Ich verordnete noch für den Abend ein Klystier. Krank
meinte Pat. fühle sie sich, indess wären jetzt Brust und Kopf
frei, nur schiene es ihr, als habe sie bisweilen ein Brett vor
demselben. Geniessen wollte sie noch Nichts. Am 4. Febr.,
also dem nächsten Tage, war noch keine Entleerung eingetre-
ten, Pat. hatte, trotz der grossen Erschöpfungung, nur wenig
geschlafen. Ich verordnete eine concentrirte Solution von Bit-
tersalz und ein abermaliges Klystier; doch erfolgte erst des
Abends ein Stuhl. Pat.. war ganz ruhig, und befolgte, gegen
ihre sonstige Gewohnheit, alle Verordnungen sehr genau. Seit
dem Morgen war die Reinigung, sonst sehr schwach, Etwas
stärker eingetreten. Von der fixen Idee war Nichts mehr zu
gewahren. Pat. fragte nur ob, und sagte oft, es scheine ihr,
dass Etwas im Hause vorgehe, vermied aber selbst jede nähere
Erkundigung. Bei meinem Besuche am 7. fand ich sie in
Thränen, Man hatte ihr den Tag vorher, nachdem R. zur
Ruhestätte abgeführt worden war, die Wahrheit nicht länger
verheimlicht. Mit allmähliger Besserung ihres körperlichen Be-
findens, welches,‘ olınehin häufig gestört, durch die Anstrengun-
gen der letzteren Zeit noch mehr darniederlag , nahm auch ihre
tiefe Trauer immer mehr ab; und ist seitdem weder ein Rück-
fall der angegebenen Seelenstörung, noch überhaupt der Krank-
heit, eingetreten. — Auffallend scheint mir an dem Falle die
kurze Dauer, sowie das plötzliche Ueberspringen auf den Hader-
Jump, obschon ich mich für überzeugt halte, dass dieselbe traurige
Idee den Geist fort und fort beschäftigte , und dass sich nur der
Ausdruck derselben, durch das seit sehr langer Zeit nicht ver-
nommene Haderlumpsgeschrei bestimmt, in eine andere äussere
Form einkleidete. Dass aber die dem Mädchen am 6. gewor-
dene Nachricht keive ungünstizere Wirkung auf dasselbe äus«=