Full text: (Neueste Folge, Band 8 = 1838, No 9-No 16)

I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik, 397 
16% Chorea; von Dr. Graves. Wenn auch, wie Verf, 
sagt, die Behandlung des Veitstanzes im Allgemeinen nicht 
schwierig ist, so kommen doch. bisweilen Fälle vor, welche 
viel Geduld erfordern und dennoch jeden Curversuch vereiteln, 
Kin auffallendes Beispiel hierzu liefert folgender, vom Verf, 
beobachteter Fall, Den 17. April 1837 ward ein junges Mäd- 
chen von der Krankheit ergriffen, die Anfangs nur eine Kör- 
perhälfte befiel. Nach 24 Stunden verbreiteten sich die Kräm- 
pfe schon über alle Glieder und wurden stündlich heftiger. 
Nach einigen Tagen versagten die Füsse ihren Dienst völlig, 
Arme und Hände waren in steter Bewegung, und binnen einer 
Woche war die Krankheit so gestiegen, dass kein Muskel 
mehr dem Willen gehorchte, und Pat. die verschiedensten Wen- 
dungen und Stellungen mit der grössten Schnelligkeit und Hef- 
tigkeit: annehmen musste, Aller Vorkehrungen ungeachtet was 
ren ihre Glieder bald überall mit Brauschen bedeckt. Eine oder 
zwei Personen achteten anhaltend darauf, dass Pat. nicht von 
ihrem Lager herabfiel. Bald erhob sie sich plötzlich, um sich 
aufrecht zu setzen, stürzte aber eben so plötzlich zurück , wäh- 
rend die Glieder gebogen, ausgestreckt, nach vorn und rück- 
wärts gedehnt wurden. Bei den anhaltenden Bewegungen 
warf sie Betten und Kleider herunter, Bald verlor Pat, das 
Sprachvermögen und war drei Wochen lang weder fähig, die 
Zunge herauszustrecken, noch ein Wort zu sprechen, Die 
Muskeln der Deglutition wurden ebenfalls mit ergriffen; allein 
die Respiration, Circulation und Digestion blieben frei, daher 
waren Athem und Puls natürlich, Verdauung und Stuhlentlee- 
rungen regelmässig. Nothwendig musste so anhaltende Mus- 
kelanstrengung Erschöpfung nach sich ziehen; Mitte Mais er- 
folgte die grösste Abmagerung, der Puls ward schwach, die 
ganze Körperfläche war durch die anhaltende Reibung und Be- 
wegung des Stammes und der Extremitäten von ihrer Ober- 
haut entblösst, daher konnte durch Blutegel,. Blasen- und an- 
dere Pflaster, Linimente u. s. w. nichts ausgerichtet werden; es 
war sogar unmöglich, ein Klystier zu setzen. Nur während 
des Schlafs liess die Muskelerregung nach, und das Morphium 
muriaticum bewies sich zu diesem Zwecke sehr nützlich, ohne 
nachtheilige Nebenwirkung. Der Verstand blieb frei und der 
Appetit anhaltend gut. — Ein 15jähriges Mädchen war bin- 
nen wenigen Tagen yon der Influenza genesen, als sie kurz 
darauf in eine leichte Hysterie verfiel, wobei Hand und Arm 
der linken Seite krampfhaft erschüttert wurden, Als G, am 38, 
April Pat. sah, fand er deutlichen Anfall von Veitstanz, Die 
Menses waren vor 2 Monaten und dann nicht wieder erschie= 
nen. Der Puls war natürlich, die Zunge nicht belegt. Es 
wurden Aloe mit Calomely Salz, und Aloe mit Eisen verord- 
net, Nach dem 2tögigen Gebrauche dieser Mittel röthete sich
	        
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