270 I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik.
Krankheit verbreitet sei, an der bereits mehrere Neugeborene ge-
storben seyn sollten, eine amtliche Untersuchung, welche Folgendes
ergab, was einen helehrenden Beitrag zu der Erfahrung giebt,
dass die nicht durch den Beischlaf erfolgte Ansteckung der Sy-
philis, von allen, andern Theilen aus, die allgemeine Lues mit
ihren verschiedenen Formen hervorzubringen im Stande ist. —
Ein Mädchen war im December 1836 aus Cassel nach dem
Dorfe zurück und einige Zeit nachher mit dem zweiten Kinde
niedergekommen, Von dieser noch jetzt nicht vollkommen ge-
heilten Syphilitischen hat sich das Gift theils durch directe all-
gemeine Communication, indem sich bei den nächsten Anver-
wandten, mit denen sie in täglicher Verbindung stand, im
Frühjahre 1837 die ersten syphilitischen Erscheinungen zeigten,
theils durch Säuglinge aut Mütter und von diesen auf die Ehe«
männer ,, Kinder und Haunsgenossen verbreitet. Auf dem Lande
ist es nämlich sehr gewöhnlich, dass Stillende den Kindern an-
derer Frauen, wenn sich die Gelegenheit darbietet, oder eine
Mutter nicht Nahrung genug hat, die Brust reichen und in meh-
reren Fällen ist diese‘ Art der ersten Verbreitung bestimmt er-
mittelt worden. — Unter den auf diese Art angesteckten
Frauen befand sich auch eine, deren freimüthige und zusam-
menhängende Schilderung die Bildung und den Fortgang des
Vebels bestimmt angiebt. Nach dem Stillen eines fremden, an
einem Ausschlage leidenden Kindes kurz vor ihrer letzten
Schwangerschaft, hatte sie Brennen und Kitzel, dann aber ein
Stechen in den Brustwarzen bemerkt, worauf sich ein Ausschlag,
mit kleinen, oberflächlichen Geschwüren von dunkler Röthe um-
geben, einstellte. Bald darauf fand sich in und an den Ge-
schlechtstheilen, mit einigem Ausflusse aus denselben, ein bren-
nend - juckender, schmerzender, den Flechten ähnlicher Aus-
schlag und um den After stellten sich Auswüchse ein. Darauf
bekam ihr Mann einen ähnlichen Ausschlag an den Geschlechts-
theilen, mit Ausfluss aus der Harnröhre. Obgleich alle ihre
früheren Kinder ganz gesund gewesen waren, war doch das
letzte Kind ganz mit Geschwüren bedeckt und starb bald nach
der Geburt. — Aehnliche Aussagen gaben mehrere andere, auf
gleiche Weise angesteckte Frauen, von denen dann die Män-
ner, und, bei weiterer Ausbildung des Uebels, die Kinder und
Hansgenossen angesteckt wurden. Bei Kindern beider Ge-
schlechter von 8—9 Jahren, bei denen, mit Affection der Ge-
schlechtstheile, sich gewöhnlich Feigwarzen fanden, ist es
jedoch nicht möglich gewesen, die Art der Vebertragung des
Giftes zu ermitteln. Erwägt man aber, dass bei mehreren,
bevor sie zur ärztlichen Behandlung kamen, die Krankheit be-
reits ein halbes bis ganzes Jahr gedauert und sich in fast allen
Formen ausgebildet hatte, und dass die Form des Hautaus-
schlazs und der Hautgeschwüre eine der gewöhnlichen war, so