II. Materia medica und Toxikologie, 221
den Fällen wo T. Molken gebrauchen liess, haben sie ihn nicht
bloss von ihrer ausgezeichneten Wirksamkeit überzeugt, sondern
auch in der Ansicht bestärkt, dass sie gewiss in vielen Fällen
den natürlichen versendeten Mineralwässern vorzuziehen seyn
dürften, welche theils durch Versendung, theils durch Unacht-
samkeit beim Füllen und Transport, theils durch langes Anfbes«
wahren sehr verlieren. T., theilt die Fälle mit, in welchen
die Molken Alles leisteten, was man von ihnen erwarten konn-
te. — Der erste betraf einen Kaufmann, welcher von einem
Arzte mit Vesicatorien, resolvirenden Pflastern und Pillen aus
Asant mit Rheum, von einem Wundarzte aber mit Mercurial-
einreibungen und Calomel mit Digitalis, bis zur Salivation be-
handelt worden war, an Leberverhärtung leiden und nach Aus«=
saye des Arztes höchstens noch drei Viertel Jahr zu leben ha-
hen sollte. T. untersuchte den Kranken und fand, dass sich
bei atrabilärer Constitution die Präponderanz des Abdominalve-
nensystems bestimmt aussprach; bedeutende dyspeptische Be«
schwerden, ohne vorhergegangene acute oder chronische Hepati-
tis. waren mit Obstructio alvt und Molimina haemorrhoidum
entfernter Art, wie örtliche verbunden, wie sie in der Mehrzahl
von Abdominalplethora beobachtet werden. Die Anschwellung
der Leber hielt T. deswegen nicht für wirkliche Induration
dieses Organes, sondern für eine UVeberfüllung mit Blut der
die Substanz desselben durchdringenden venösen Gefässäste‘ bis
in ihre feinsten Verzweigungen, für Folge theils venöser, un=
unterbrochen fortdauernder Congestionen nach der Leber, theils
einer torpiden Schwäche der venösen Gefässe der Leber, theils
einer fehlerhaften Mischung des Bluts selbst. Die wichtigste
Heilanzeige war hier, das Abdominalvenensystem durch die pe=
ripherischen Enden der Hämorrhoidalgefässe von dem in ihm
angehäuften , zugleich aber zu stark hydrogenisirten und kar-
bonisirten Blute zu entladen, dadurch das Leberorgan von sei-
ner Bürde zu befreien, und die freie Blutcirculation in demsel-
ben wieder herzustellen. T. gab daher Sulphur praecipitatum
mit Magnesia carb. und Tartar. depurat, später mit Natrum
phosphoricum, Pillen aus bittern auflösenden Extracten mit
Aloe und Schwefel, liess Blutegel ad anum legen, künstlichen
Carlsbader Brunnen, Fran k’s salzig-schwefelsaures Wasser trin-
ken, alle Gewürze, Bier und Spirituosa, Fett, Säuren, blä=
hende Speisen ganz, Salz möglichst meiden, nur Wasser trin-
ken, reizlose, nährende Speisen geniessen und den Körper fleis-
sig bewegen; doch Alles ohne Nutzen, Kaum aber hatte der
Kranke 14 Tage Molken, mit Kölbermagen bereitet, anfänglich
drei, zuletzt 18 Unzen p. d. getrunken, wobei täglich nur eine
breiartige Stuhlausleerung statt fand, und dabei die bei Brun-
nencuren übliche Lebensordnung beobachtet, so erfolgte, ohne
alle Beschwerden, plötzlich eine sehr starke Hämorrhoidalblu-