I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik, 209
suchte sie selten ihr Nachtlager wieder auf, setzte sich gewöhn-
lich an einen Tisch, den Kopf auf die untergelegten Hände ge-
stützt, wimmerte und jammerte, ward dann still und lay be-
täubt wie im Scheintode, Bei unverändertem Pulse erhob sie
sich nach vier Stunden, nahm Theil au den Umgebungen und
um 12 Uhr liess sich keine Spur von Kranksein mehr wahr-
nehmen. Sie ass und trank mit Appetit und blieb die übrigen
Stunden des Tages froh gestimmt, verschlief die Nacht ruhig
bis ihr Leiden früh wieder beganuo. Ein Druck. mit der Hand
auf den leidenden Theil der Stirn betäubte den Schmerz ein
wenig, in aufrechter Stellung vermehrte er sich aber sogleich
wieder, Nicht jeder Anfall war gleich heftig. Die Kranke
wusste immer den Grad des Anfalls nach den Vorboten des-
selben vorauszusagen.. Nach dem Grade der Hefigkeit war
die schmerzende Stelle der Stirn von aussen im Umfange einer
Viertelskrone fast glühend heiss anzufühlen, beim ‚geringern
Grade des Paroxysmus nur mässig warm, olme in beiden Fäl-
len sich durch sichtbare Röthe kund zu thun. Offenbar war
der ganze Krankheitszustand Folge gestörter Crise beim Ueber-
gang der Masern ins Stadium der Eruption und Florescenz, wie
der dadurch entstandenen Metastase, — Da S, ein chronisch-
entzündliches , materiell nervöses, deuteropathisches Leiden vor
sich zu haben glaubte, liess er der Kranken am 22. Mai 1821
Blutegel an die rechte Schläfengegend setzen, am 24. ein aus
Meerrettig bereitetes warmes Fussbad, Morgens und Abends
ein Pulver von 4 Gran Goldschwefel und 31 Gran Salpeter
nehmen, Vor- und Nachmittags aber ein Stück von folgenden
Pillen: Rec. Hydrarg. muriat, corr. gr. tria, solve in Aq.
destill, s, q., adde pulv. Rad, Glyc. , Extr. ejusd, ana q. 8.
ut fiat massa, e qua form. pil. num, 20onaginla, Consperg,
pulo, Cort, Cinnam., D., worauf Pat. den 26. seit zwei Jah-
ren das erste Mal von Kopfschmerzen frei blieb, Am 27.
zeigten sich Vorboten von Salivation, beschwerliches Schlingen
u, 8, W. — Pillen und Pulver wurden ausgesetzt, dagegen
eine reizende Salbe in die Fusssohlen eingerieben, worauf Kopf-
schmerz mit Halsbeschwerde im gemässigtern Grade mit einan-
der abwechselte. Letztere wurde bald beseitigt, und der
Stirnschmerz fing an theils Tagelang ganz auszusetzen, theils
den Typhus zu verlieren, nachdem bis auf vier Pillen gestiegen
worden war, Am 17, Juni stellte sich‘ der Schmerz schon früh
3 Uhr zum ersten Male auf der linken Seite ein. Am
18, früh setzte der Paroxysmus aus, kam aber Nachmittags von
3—53 Uhr, am 19. Vormittags von 9—11 Uhr auf beiden Sei-
ten am ganzen Kopfe zum Vorschein; am 21. zeigte sich statt
des Anfalls Ekel und Schwindel. Vom 28. Juni bis 4. Juli
setzten die Anfälle aus, allein an -diesem Tage stellte sich
statt des Kopfwehs Reissen im Kopfe von Vormütags 8—
Summarinm d. Mericio. 1838. II. 14