II. Materia medica und Texikologie, 153
Wunde ein Pulver einzustreuen; aus Irrthum verbrauchte man
aber alle 6 Gaben in zwei Tagen, ohne d’ss ein nachtheiliges
Symptom eintrat. Dagegen war am Morgeit des dritten Tages
beim Erwachen des Kindes das Sechvermögen völlig zurückge-
kehrt, denn das Kind konnte die kleinsten Gegenstände erken-
nen, beide Augen hatten wieder einen natürlichen Blick ange-
zommen und die Normalität des Sehvermögens war in allen
Beziehungen hergestellt und wurde auch späterhin auf keine
Weise gestört. — DB, Affection des Rückenmarks,
Ein 25jähriger Mann, der sich immer wohl befunden hatte, be-
merkte im April 1836 eine besondere Schwäche in den Füssen,
welche sich fortschreitend verschlimmerte, so dass er im Juli
bei B. Hülfe suchte, Dieser fand den ganzen Körper abgema-
gert, das Muskelfleisch welk, in den Gesichtszügen einen blöd-
sinnigen Ausdruck, die Augen glanzlos, den Blick schielend,
den Mund schief verzogen, den Gang taumelnd mit breit von
einander steheaden Füssen, den Oberkörper etwas nach vorm
gebeugt, während die Hände, vorzüglich im Gehen, mehr nach
hinten gerichtet waren;: Der Puls war langsam, weich, schwach,
die Functionen der Digestionsorgane ungestört, der Schlaf guf,
Der Kranke klagte über Schwindel und Taumel, besonders bei
aufrechter Stellung und beim Gehen, über reissende Schmerzen
vom: Kreuzbeine bis zu den Fusssohlen, Knacken in den Fuss-
gelenken bei der Bewegung, Kraftlosigkeit in den Füssen und
Unvermögen, diese beim Gehen hoch zu heben, daher der un-
sichere, schwebende Gang, besonders beim Treppensteigen und
raschen Umwenden des Körpers. Hinsichtlich der ätiologischen
Momente war nichts Bestimmtes zu ermitteln, jede Ausschwei-
fung des Geschlechtstriebes wurde verneint und es schien nur
wichtig, dass früherer starker Fussschweiss sich vermindert
hatte. Um den durch Kreuzschmerzen angedeuteten congestiven
Zustand zu beseitigen, hielt B. Blutegel und Calomel für au-
gezeigt. Der fixe Kreuzschmerz wurde dadurch beseitigt, aber
der lähmungsartige Zustand dauerte fort. ‘ B. schritt nun zur
Anwendung des Strychnins nach der endermatischen Methode
in der Gegend des letzten Lendenwirbels; es wurde täglich
% Gran des Alcaloids eingestreut. Nach 8Stägigem Gebrauche
stellte sich öfters Gefühl von Ameisenlaufen in den Fingerspiz-
zen und ein von den Knriekehlen ausgehender, ziehender
Schmerz ein, auch erfolgte starkes Nasenbluten an 3 Tagen.
Da indessen keine Veränderung im Zustande der partiellen
Lähmung erfolgie, so wurde die täglich eingestreute Dosis des
Sırychnins auf *% Gran erhöht, wodurch in 14 Tagen nur eine
wenig günstige Veränderung herbeigeführt wurde. B. legte
nun auf die bisher wund gewesene Stelle ein breites Haarseil
und gab das Strychnin innerlich täglich zu 4 Gran. In den
ersten 14 Tagen klagte der Kranke öfters über ziehende Schmer-