I. Pathologie, Therapie und medicinische Klinik, 477
290, Phthisis universalis; von Dr. Hıcrer in Leip-
zig. Der nahe an den 50° Jahren stehende R., ein Mann von
athletischem Körperbau, venöser Constitution, etwas leucophleg-
matischent Ansehen, aber immer fröhlich und wohlgemuth, hat
sich, ausser zeitweiligen podagrischen Anfällen, die sich indess
durch Erysipelas und Geschwüre an den Unterextremitäten gleich-
sam zu entscheiden schienen, und sich überhaupt, bei dem regel-
mässig aller 14—8 Tage gebrauchten Dampfbade, in den letz-
ten Jahren nicht wiederholten, immer wohlbefunden, als er im
Frühling 1836 an der Grippe erkrankte, Pat, achtete, trotz
aller Ermahnungen , diese Krankheit sehr wenig, genirte sich
weder im Essen, noch Trinken, machte im Sommer mehrere,
theils strapaziöse Reisen, ging auch den Herbst hindurch, ob-
schon er von einem kurzen, trockenen Husten wenig verlassen
wurde, alle Abende, selbst bei sehr schlechtem Wetter, aus,
und setzte sich dann mehrere Stunden in stark geheitzte, mit vie-
Jen Menschen und Tabaksrauch angefüllte Stuben.. Der Husten
ward immer heftiger, weder das Bilsenkrautextract noch Kirsch-
lorbeerwasser vermochten Erleichterung zu schaffen; äussere
Mittel blieben eben so fruchtlos, Ende Novembers ward Pat,
von einer Tertiana befallen. Er bekam wegen gleichzeitig ein-
getretenen Status gastricus bitterliche Resolventia. Nach dem
6. Anfalle wurden, da das Dauungssystem, bei einer nunmehro
ziemlich streng beobachteten Diät, wenig zu wünschen übrig
liess, einige Gaben Chinin verordnet, worauf das Fieber Mitte
Decembers beseitigt wurde, und Pat. das Ende dieses Jahres
in leidlichem Befinden zubrachte, Husten und. allgemeine
Schwäche verloren sich jedoch nicht, und vom 22. Dec. an
traten jeden Abend Fieberbewegungen ein. Zum Getränk ward
ein Thee aus den Speciebus pectoralibus, oder eine Abkochung
des Lichen Carrageen, oder ein Infusum galeopsidis und dabei
Hufeland’s Tropfen (Rec. Extract, dulcamarae Ij.s car-
dui benedicti 3j., Solve in aqua foeniculi 3j., adde aquae
Zaurocerasi 3j. M. D. S. 4 Mal. 60 Tropfen) verordnet, Der
Husten schien sich iu den ersten Tagen des Jahres 1837 mil-
dern zu wollen, dafür trat aber in der Luftröhre und den Lun-
gen ein drückendes, bald mehr dem Kitzel ähnliches Gefühl
stärker hervor, Pat, ward heiser. Den 8. Jan. vermochte er
nicht zu sprechen, fand nur mit grosser Anstrengung einige,
selten aber die passenden, Worte. Mit dem Schreiben, wo-
durch wir uns mit ihm zu verständigen suchen wollten, ging
es nicht viel besser. Dieser paralytische Zustand besserte sich,
während der Anwendung einiger, doch durchaus nur äusserli-
cher Reizmittel, bis zum 10. so weit, dass Pat,, wenn auch
nur langsam und mit Mühe, doch seine Gedanken wieder mit-
zutheilen vermochte, Von jetzt bis zum 15. klagte Pat, fast
über gar nichts, obschon ein tiefes Leiden unverkennbar war.